Sehnsuchtszittern. Und ergriffenes Beben: Elektronikmusiker Christian Fennesz erforscht in seiner Musik die Melancholie der Maschinen.

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Sein neues, bedächtig-melancholisches Album "Black Sea" untermauert diesen Status.

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Wien - Christian Fennesz ist ein Mann, der für seine Kunst gerne weit fliegt. Regelmäßige Konzertreisen nach Japan, Süd- wie Nordamerika und hinaus bis weit vor die Tore Wiens zum Donaufestival nach Krems sind demnach gern erfüllte kommerzielle Notwendigkeiten. Bonus-Flugmeilen im Leben eines Mannes, der Musikerkollegen wie den befreundeten Peter Rehberg heute öfter am Flughafen als beim Wirt ums Eck zu einem Plausch trifft. Dessen Wiener Elektronik-Label Mego gab übrigens auch Fennesz in den 90er-Jahren eine erste Heimstatt.

Musikalisch gesehen wählt Christian Fennesz allerdings lieber den langsamen Fußmarsch. Der 46-jährige, heute meist in Paris lebende Burgenländer durchstreift spätestens seit seinem Debüt Hotel Paral.lel und dem als Klassiker des avantgardistischen Elektronikgenres geltenden Nachfolgewerk Endless Summer aus dem Jahr 2001 noch immer lieber den Schilfgürtel des heimatlichen Neusiedler Sees voller freundlicher, Lärm machender Grillen, Schrullen und anderen Insekten. Der Düsenjet Richtung Tanzboden und hämmernder Hits ist seine Sache nicht.

Wie man jetzt auch auf der CD Black Sea nachhören kann, seiner ersten Soloarbeit seit Venice aus 2004, wird diese Wunderwelt vielmehr von Kontemplation, damit einhergehender Klangerforschung und aus diesem in der Natur destillierten Klang geboren. In ihr eingebettet wohnen sehnsuchtsvolle Melodien. Die auf dem britischen Label Touch erschienenen neuen Instrumentalstücke, allen voran Saffron Revolution, Glide oder Glass Ceiling, erweisen sich dann auch als freundlich während langer Spaziergänge in den pannonischen Wind gepfiffene, grundsätzlich melancholische Erinnerungen. Erinnerungen an eine Jugend, die sich noch am Pop klassischer Prägung orientierte: Beatles, Beach Boys, Bowie, Franz Schubert, Toni Stricker.

Geräuschschlieren


Unter am Laptop generierten fiependen, verzerrten, ruckelnden und neben der Spur wackelnden Geräuschschlieren, die man mangels besserer Zuordnungsmöglichkeiten noch vor zehn Jahren als reinen Lärm bezeichnet hätte, hebt so in den mitunter die Zehnminutengrenze erreichenden Tracks ein leises, von der eigenen Schönheit und Sehnsucht ergriffenes Zittern an. Dieses kulminiert nach bedächtigem Aufbau in schaurig schönem, pathetisch erheblich aufgeladenem Beben.

Dabei legt Christian Fennesz sehr gern auch falsche Fährten hin zu den Walen im Neusiedler See. Wie diese sich hinter dem Schilfgürtel an für ein eiliges Publikum nur mühsam erreichbaren Uferabschnitten verstecken, verbirgt sich auch sein eigentlich in der musikalischen Avantgarde längst ausgestorbenes Hauptinstrument hinter vorgestellten Prozessoren, Loop-Programmen und anderem Kriegsgerät aus dem Arsenal besessener elektronischer Zukunftsforscher.

Die Gitarre, elektrisch und neuerdings auch akustisch eingesetzt, bildet nach wie vor die Grundlage der Kompositionen eines Mannes, der in seiner Jugend erste Erfahrungen als Tanzmusiker und später als Vorsteher der längst legendären Freerock-Band Maische sammelte. Dank der zwar bedächtigen, aber konsequenten und ständigen Erweiterung seiner Mittel muss Christian Fennesz nach Kollaborationen mit internationalen Größen wie Jim O'Rourke, Ryuichi Sakamoto oder Mike Patton in seinem Fach als Österreichs wichtigstes musikalisches Exportgut angesehen werden. Er ist der König vom See. (Christian Schachinger/DER STANDARD, Printausgabe, 14. 1. 2009)