Wien/Heilbronn - Wie spricht man über eine Frau, von der man nichts kennt, außer ihre DNA? Von der man nur weiß, dass sie seit 15 Jahren einbricht, stiehlt und mordet? Medien haben sich schnell mit "Phantom von Heilbronn" oder "Frau ohne Gesicht" beholfen. Frank Huber nennt die Serientäterin "unbekannte weibliche Person" oder einfach "die Frau".

Huber leitet die Soko "Parkplatz" in Heilbronn, und die Unbekannte ist seit dem 25. April 2007 seine ständige Begleiterin. An dem sonnigen Frühlingstag wurde Hubers Kollegin, die 22-jährige Polizistin Michéle K., gegen 14 Uhr auf der Heilbronner Theresienwiese mit einem Schuss in den Kopf getötet. Ihr Kollege Martin A. überlebte nur knapp. "Es geht ihm mittlerweile gut, er macht wieder Dienst", sagt Huber. An die Tat selbst kann sich Martin A. nicht erinnern. Am Streifenwagen der beiden konnten DNA-Spuren gesichert werden. Sie gehören der unbekannten Frau.

Zu dem Zeitpunkt, als Michéle K. getötet wurde, waren Radfahrer und Fußgänger auf der Theresienwiese unterwegs, es war ein warmer Tag. Schausteller bauten gerade ihre Autodrome und Schaukeln für ein Volksfest auf. Ohrenzeugen hörten Schüsse, gesehen hat die Täterin niemand.

150.000 Euro Belohnung ausgesetzt

Seit mehr als 15 Jahren finden sich die Spuren der Frau an insgesamt 38 Tatorten in Süddeutschland, Frankreich und Österreich. Mittlerweile ist eine Belohnung von 150.000 Euro auf sie ausgesetzt. Nach Weihnachten hatten die Kriminalisten im Saarland auf eine neue Spur gehofft. Zwei mögliche Komplizen wurden aus Frankreich nach Deutschland ausgeliefert. "Die beiden haben zwar Teilgeständnisse abgelegt", sagt Dieter Appel vom saarländischen Landeskriminalamt. Bei diesen Taten - über die aus ermittlungstechnischen Gründen nichts gesagt wird - war laut den Männern jedoch keine Frau dabei.

Die Spuren der Unbekannten reichen bis ins Jahr 1993 zurück. Damals wurde eine 62-jährige Rentnerin in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) in ihrem Haus mit Blumendraht erdrosselt. Am Tatort: der genetische Fingerprint der Frau. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sie damals noch ein kleines Mädchen war, betont Huber. Kinder würden öfter als "Türöffner" eingesetzt; jemandem, der mit einem Kind vor der Tür steht, mache man eher auf. "Doch das ist alles sehr spekulativ."

Kein Durchbruch

Bisher habe es noch keinen Durchbruch gegeben, sagt Huber. Einen Fall wie diesen habe aber auch noch keiner erlebt. Um die Sicht auf den Fall nicht einzuengen, haben die Ermittler sogar angedacht, dass die Frau wie ein Mann aussehen könnte.

Was man weiß, ist, dass die Gesuchte sehr mobil ist, ständig mit wechselnden Komplizen zusammenarbeitet. Und dass sie öfter in Gartenhäuser, Wohnwagen und leere Gebäude einbricht und dort auch nächtigt. Was Huber noch weiß: "Die Frau ist höchst gefährlich, skrupellos und unberechenbar."

Die Bandbreite der Delikte reicht von Treibstoff- und Pkw-Diebstählen über ausgebaute Airbags bis zu mehreren Morden oder Mordversuchen. Sollte die Frau die Taten nicht selbst ausgeführt haben, dann war sie zumindest maßgeblich daran beteiligt. Ihre Spuren finden sich auf Projektilen, mit denen jemand angeschossen wurde, ebenso wie in Fluchtautos.

Zuletzt wurde die DNA im Auto der 45-jährigen Pflegehelferin Diana P. gefunden, deren Leiche im Oktober 2008 in Weinsberg nahe Heilbronn in einem Rückhaltebecken entdeckt wurde. Der Fiat Panda der Frau war in der Nähe abgestellt. Nach intensiven Ermittlungen konnten bisher keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden festgestellt werden. Dennoch ist nicht völlig auszuschließen, dass Dritte am Tod der Frau beteiligt waren. Die DNA-Spur der gesuchten Frau bedeute nicht zwangsläufig, dass P. einem Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen sei, sagt Huber.

"Keine Linie"

Auch in Österreich sitzen ein Serbe und ein Pole wegen Einbrüchen in Haft, wo an den Tatorten die weibliche DNA gefunden wurde. "Da war sonst niemand", laute die Aussage der beiden, schildert Rudolf Keplinger, Leiter des oberösterreichischen Landeskriminalamtes. In Tirol und Oberösterreich war die Frau bisher zwischen Oktober 2004 und Mai 2007 an Einbrüchen und Diebstählen beteiligt und hat an 16 Tatorten ihre DNA hinterlassen. Der Mix aus Verbrechen sei einzigartig, sagt Keplinger. "Es gibt keine Linie."

Irgendwann werde man die Frau stellen, ist der Heilbronner Soko-Chef Frank Huber überzeugt. Bis dahin wird die Unbekannte immer irgendwie da sein, in der Arbeit genauso wie in der Freizeit. "Man lebt mit dem Fall", sagt Huber. (Bettina Fernsebner-Kokert/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2009)