Bratislava/Kiew - Die Slowakei hält an ihren Plänen zur Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im AKW Jaslovske Bohunice fest. Zugleich betonte der Staatssekretär im slowakischen Wirtschaftsministerium, Peter Ziga, am Mittwoch in Bratislava aber, dass der Betrieb in den "nächsten 24 Stunden" nicht wieder aufgenommen werde. Noch diese Woche könnte eine endgültige Entscheidung über das umstrittene Vorhaben fallen, hieß es.

Sein Land habe noch Gasreserven für elf Tage, machte Ministerpräsident Robert Fico unterdessen in Kiew der ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko die heikle Lage der Slowakei deutlich. Auf seiner Mission zur Wiederaufnahme der Gaslieferungen, die wegen des russisch-ukrainischen Gasstreits gestoppt sind, stieß er allerdings auf bedauerndes Achselzucken: "Die Ukraine hat nicht genug Gas. Wir haben keine eigenen Reserven", sagte Timoschenko. Man könne schlecht helfen.

"Nach zwölf Tagen sind wir zu Maßnahmen gezwungen, die es nie in unserer Geschichte gab", appellierte Fico. "Darf ich einfach einmal fragen, wie lange das (der Gaslieferstopp; Anm.) weiter gehen wird?", fragte er. "Wir sind auf das Gas angewiesen." Der slowakische Ministerpräsident überbrachte seiner ukrainischen Amtskollegin das Ersuchen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, sie möge die Gespräche im Gaststreit mit ihrem russischen Amtskollegen Wladimir Putin wieder aufnehmen.

Die Slowakei erhält seit einer Woche keine russischen Gaslieferungen über die Ukraine und hat keine alternative Zuleitung. Die Slowakei bezieht fast alles Gas aus Russland und produziert auch Strom aus Gas. Rund 1.000 Unternehmen im Nachbarland mussten die Produktion drosseln oder gar einstellen, darunter ein großes Stahlwerk und Autobetriebe.

Bohunice kommt?

In dieser Situation hatte die Regierung in Bratislava die Wiederinbetriebnahme des Reaktors im Kernkraftwerk Bohunice angekündigt, der auf Grundlage des slowakischen EU-Beitrittsvertrages zum Jahreswechsel abgeschaltet wurde. Österreich hat das scharf kritisiert. Die Europäische Union ist ebenfalls gegen einen Neustart und hat ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge in Aussicht gestellt. Bisher hat die Slowakei die Ankündigung nicht wahr gemacht.

Die Slowakei arbeitet derzeit an einer von der Europäischen Kommission verlangten Begründung für das geplante Hochfahren des Reaktors in Bohunice. Ungarn stellte der Slowakei am Mittwoch Notlieferungen in Aussicht. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP) hatte am Montag in der ZIB2 des ORF gesagt, ihm sei über ein Hilfeersuchen der Slowakei an Österreich, bei der Stromversorgung auszuhelfen, nichts bekannt. Jeder Staat sei selbst für seine Energieversorgung verantwortlich. Die auflagenstärkste slowakische Tageszeitung Novy Cas (Neue Zeit) titelte am Mittwoch: "Oh Gott, wir werden glatt erfrieren!"

Fico reiste gleich von Kiew zu Gesprächen mit Premier Putin in Moskau weiter. Nicht nur Fico, sondern auch der bulgarische Premier Sergej Stanischew sowie die Ministerpräsidentin Moldawiens, Zinaida Greceanii, sprachen bei Putin in Sachen Gas vor. "Wir hören von unseren ukrainischen Freunden, dass sie Probleme mit der Durchleitung haben", sagte Putin ihnen in seiner Residenz außerhalb der Hauptstadt. "Aber das ist nicht unser Problem. Das ist das Problem des Transitlandes, und die müssen das lösen."

Stanischew sagte Putin: "Das größte Risiko für beide, Russland und die Ukraine, ist die Frage des Vertrauens. Der Streit geht nun schon einige Jahre, und er sollte Drittstaaten nicht zu Geiseln machen." Stanischew steht u.a. wegen der Versorgung in seiner Heimat unter Druck: Am Mittwoch kam es in Sofia bei Anti-Regierungsdemonstrationen zu Ausschreitungen. Auch Bulgarien hat die Wiederinbetriebnahme eines veralteten AKW-Reaktors, der in vertraglicher Vereinbarung mit der EU stillgelegt wurde, in Aussicht gestellt. (APA/Reuters/dpa)