Meinrad Knapp: "Ein gesunder ORF ist für Österreich wichtig".

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Seine verlässliche Konstante ist die Krise. Es geht nicht um den österreichischen Fußball sondern um den ORF. 100 Millionen Euro fehlen. Bei einem Jahresumsatz von 900 Millionen ein ganz ordentlicher Fehlbetrag und angesichts der Tatsache, dass der ORF in seinem Kerngeschäft seit Jahren Verluste macht, werden die kommenden Jahre noch ungemütlicher werden.

Wer ist also schuld? Aus ORF- Sicht ganz klar die anderen, die Mitbewerber zum Beispiel. Wie können sich nur Private erlauben, dem ORF Konkurrenz zu machen? Im ORF eigenen Selbstverständnis "Wir sind das Fernsehen " ist das einfach undenkbar.

"Scheiß Internet"

Dann die Zuschauer. Ist das zu fassen? Nicht nur, dass diese undankbaren Zuschauer es wagen immer häufiger andere Medienprodukte zu konsumieren, nein, das ist ja noch lange nicht alles, die Zuschauer ändern auch noch ihr Medienverhalten. Sie, Herr Lorenz als ORF Manager haben die einzig richtigen Worte dafür gefunden: Scheiß Internet! Das ist genau das Konvergenzverständnis, das modernes Medienmanagement ausmacht.

Und Schlussendlich: Die Politik. Wo ist die Politik denn jetzt, wenn man sie dringend
braucht? In den siebziger Jahren hat die Politik den Aufbau des ORF großzügig finanziert, diese Unterstützung hat sich in den Achtzigern fortgesetzt, als das ORF-Monopol mit Zähnen und Klauen verteidigt wurde, und ebenso in den Neunzigern, als die Politik nach der Verurteilung durch den EuGH zwar Privatradio und Privat- TV eingeführt hat, aber so, dass dem ORF wenig passieren konnte. Die Gegenleistung: Willfährige Berichterstattung, von der Ära Kreisky über Vranitzky bis hin zu Sitzproben für Wolfgang Schüssel vor wenigen Jahren, als der damalige Chefredakteur "fünf Zentimeter rechts von der Mitte war."

Offenbarungseid

Jetzt, in der Krise soll die Politik wieder natürlich helfen, allerdings der ORF ist trotzig, denn für die gewünschte Hilfe soll es die gewohnten Gegenleistungen von diesem unabhängigen ORF jetzt eben nicht mehr geben! Alexander Wrabetz, informiert die ORF Mitarbeiter im Starmania Studio (gut gewählte Location) über die unerfreuliche aktuelle Finanzsituation und sagt, auch wahrscheinlich mit der Angst, dass er selbst bald rausgewählt werden könnte: "Jede Pimperl-Bank bekommt eine Milliarde vom Staat. Warum wir nicht?" Für jemanden, der ein unabhängiges Unternehmen zu führen hat, ist das ein Offenbarungseid.

Und an die Ethik der Politik zu appellieren, wie es Armin Wolf jüngst hier im STANDARD tat, ist für einen gelernten Österreicher herzig: Die Politik solle nicht zusehen "dass 200 Millionen jährlich in den Werbefenstern versickern", aber sich gefälligst nicht im ORF einmischen. Ob Armin Wolf selbst an diese ethische Läuterung der Politik glaubt - "ich mach dem ORF ein Gesetz ohne Gegenleistung" - ist angesichts seiner Erfahrungen mit Politikern zu bezweifeln. Eher ist es Ausdruck einer gewissen Bequemlichkeit, best of both worlds zu fordern.

Unabhängigkeit

Unabhängigkeit bedeutet Verantwortung. Verantwortung natürlich auch für das Wohlergehen des eigenen Unternehmens. Ein gesunder ORF ist für Österreich wichtig, das sage ich als Mitarbeiter zweier privater Rundfunkanstalten ganz ausdrücklich. Ein gesunder ORF wird versuchen, die Bedürfnisse seiner Stakeholder, von der zu informierenden Allgemeinheit bis hin zu den Kulturschaffenden möglichst effizient zu befriedigen. Der ORF wird dies mit den finanziellen Mitteln schaffen müssen, die ihm zu Verfügung stehen. Das ist nämlich Unabhängigkeit. (Meinrad Knapp, derStandard.at, 14.1.2009)