Abu Dhabi/Wien - Josef Hickersberger geht es gut. Garnelen mit Reis hat er zu Mittag gegessen, köstlich, nicht zu schwer, nicht zu leicht. Er schätzt jeden Tag, beim Aufstehen wird der 60-Jährige von einem Gefühl der Demut gestreift. "Ich bin gesund, habe einen gut bezahlten Job, das ist in den heutigen Zeiten ein Privileg. Das Wetter passt, nicht zu heiß, unlängst hat es ein paar Tropfen geregnet, da habe ich halt kurz die Scheibenwischer vom viel zu großen Dienstauto eingeschaltet." Die Frau Hickersberger fühle sich übrigens auch pudelwohl. In Abu Dhabi, in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Wohnung ist bezogen, sie liegt in einem Tower im Stadtzentrum, der Persische Golf ist in nicht einmal fünf Minuten erreichbar. Man sieht ihn vom zwölften Stock aus, nah und blau. Die Jahresmiete beträgt angeblich 80.000 Euro, drei Badzimmer und ein Wohnsalon, dessen Durchquerung eine gewisse Grundkondition voraussetzt, haben ihren Preis. Nicht für Hickersberger, der Scheich zahlt, aber vielleicht gehört ihm der Turm sowieso. Dass er den Club Al Wahda besitzt, daran gibt es nichts zu rütteln, schließlich hat der Sheikh Saeed Bin Saeed Al Nahyad Herrn Hickersberger im Dezember 2008 als Trainer engagiert.

Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass der Scheich in der königlichen Familie ein Außenseiter sei, ihm wird Eigensinn nachgesagt. Er schaut übrigens nahezu bei jedem Training vorbei, lässt sich danach von Hickersberger Übungen erklären und gibt, das mag leicht lähmend sein, Tipps. Ab und zu schleppt er neue Spieler an, sie werden per Hubschrauber eingeflogen. Hickersberger: "Auf Transfers habe ich keinen Einfluss." Selten kann einer sogar kicken, es sind solche dabei, "die sich beim Schießen den Fuß brechen". Andere wiederum kaufen nach dem zweiten Kurzeinsatz einen Porsche. "Pädagogisch nicht gerade wertvoll. Aber der Fußball ist doch überall verrückt. Sogar in Österreich." Der Frank Stronach habe sich bei der Wiener Austria ja auch dauernd eingemischt. "Ob er vom Fußball eine Ahnung hat, will ich nicht verraten."

Hickersberger hat 2002 den arabischen Raum verlassen, um Trainer bei Rapid und später ein zweites Mal österreichischer Teamchef zu werden. In knapp sieben Jahren habe sich in den Emiraten einiges geändert, der Fußball sei professioneller geworden. "Natürlich gibt es taktische Defizite. Und Superstars spielen hier nicht. Wahrscheinlich zahlt Salzburg für Mittelmaß mehr als mein Scheich. So viel zur Verrücktheit." Seit der Einführung der Profiliga sei es erlaubt, die Gebetszeiten zu verschieben. Rein theoretisch. "Die Spieler haben ersucht, dass sie die vorgeschriebenen Gebete trotzdem genau einhalten dürfen und ich das Training darauf abstimmen soll. Dem komme ich natürlich nach."

Keine Geldsäcke

Zu den Liga-Partien erscheinen ein paar hundert Zuschauer. Al Wahda hat unter Hickersberger vier Pflichtmatches bestritten, eine Niederlage, ein Unentschieden, zwei Siege. "Die Bilanz geht, die Niederlage war peinlich. Als würde Rapid gegen Altach untergehen." Es ist ein Gerücht, dass der Scheich Geldsäcke im Tower vorbeibringt, Hickersberger erhält Schecks. Zwei hat er schon, die harren allerdings ihrer Einlösung. "Ich habe noch kein Konto. Da fehlen Gesundenuntersuchungen und ein Visum." Der Vertrag endet am 27. Mai, Hickersberger, dessen Assistent Deutsch spricht, weiß, "dass der Scheich natürlich zu vorzeitigen Handlungen fähig ist".

Die EURO hat er in Abu Dhabi vergessen. "Wann war die?" Heimweh verspüre er kaum. "Dass ich den ORF nicht empfange, ist verschmerzbar. Mir und der Frau Hickersberger geht es echt gut." (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, Donnerstag, 15. Jänner 2009)