Linz - Den Verrenkungen des Künstlers bei der Anbiederung an die Macht widmete Klaus Mann eine treffliche Fallstudie, als er 1936 seinen "Mephisto" im Amsterdamer Exil veröffentlichte. Als Folie diente dem Romanautor dabei Gustaf Gründgens, der unter der Patronanz Hermann Görings vom Erfolgsschauspieler zum Intendanten des Preußischen Staatstheaters aufstieg. In Tom Lanoyes' Bearbeitung bekommt er das nach "Krauts" tönende Pseudonym Kurt Köpler verpasst, bei Mann hieß er Hendrik Höfgen.

Lanoyes nimmt das Diktum Manns, er habe Typen dargestellt und keine Porträts, umso ernster, als er die übrigen Protagonisten des Romans zu einer Handvoll Akteure verdichtet. Solcherart legt Regisseur Cassiers gut gefertigte Charakterschablonen über die Darsteller und ihnen die wichtigsten Zitate der fehlenden Akteure in den Mund.

Das ist mitunter ziemlich simplifzierend. So kommt etwa im Roman der "Dicke" - Hermann Göring (Jos Pauw) - gar nicht zu Wort; im Stück wird er zunächst gar zum alleinigen Sprachrohr für ein höheres Streben nach Disziplin und Ordnung. Die historischen Figuren stehen im Vordergrund und nicht so sehr die gesellschaftlichen Zusammenhänge und Phänome - und damit minimiert man auch den Gegenwartsbezug.

So weit, so gut, wäre da nicht das in Hälfte eins ausufernde Zitatgewölk - von Shakespeare über Goethe bis Tschechow - in das sich der Karrierist Köpler (Dirk Roofthooft) flüchtet, nur damit er nicht selbst Stellung beziehen muss.

An diesen Zitaten lässt sich festmachen, wie Köplers moralische Korrumpierbarkeit - und die Handlung - fortschreitet, die nötige Stringenz fehlt jedoch. Während sich Köpler mit den Actricen, allen voran der jüdischen Starschauspielerin Rebecca Füchs (Katelijne Damen), dialogisch duelliert, ist das Publikum damit beschäftigt, dem (holländischen) Text auf den ungeschickt platzierten Ober- und Seitentiteln zu folgen.

Die auf der Bühne postierten Bildschirme zeigen indessen von Kameras eingefangene Close-ups der Akteure sowie geschmäcklerische Visuals und verwundern über weite Strecken ob ihrer Beliebigkeit. Mediale Verstärkung lässt sich das kaum nennen.

Reinigendes Gewitter

Der Gegensatz zwischen einer Ästhetik, die zur Reizüberflutung neigt, und dem minimierten Spiel des Ensembles löst sich erst nach der Umbaupause in einem reinigenden Gewitter auf. Der von den Bonzen enttäuschte und vom Staatstheater verwiesene NS-Mitläufer Niklas (Marc Van Eeghem) taucht in der Rolle des Propagandaministers wieder auf und verkündet mit medial zugespitztem Getöse den totalen Krieg.

Im nunmehr vertieften und bunkermäßig leergeräumten Bühnenraum (Marc Warning) kann sich danach Dichte und Nähe entfalten, die auch pathetische Gesten trägt: Am Schluss monologisiert der Reichsfeldmarschall diabolisch vor dem gefallenen Vorhang, bevor Kurt Köpler ebendort, aller Zitate beraubt, als demaskierter Mephisto nur mehr stammelt. Tosender Applaus, für Hälfte zwei durchaus angemessen. (Wolfgang Schmutz / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.1.2009)