Paris - Die rasante Privatisierung von Staatsbetrieben in mehreren früheren Ostblockstaaten hat einer Studie zufolge bei Männern zu einem deutlichen Anstieg der Sterbezahlen geführt. Zwischen 1991 und 1994 seien die Todeszahlen unter Männern in Russland, Kasachstan, Lettland, Litauen und Estland um 42 Prozent gestiegen, berichteten britische Forscher in der Medizinerzeitschrift "The Lancet" am Donnerstag. Sie sehen einen Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Anstieg der Arbeitslosigkeit um durchschnittlich über 300 Prozent in diesen Ländern.
Eine mögliche Ursache für die höheren Sterberaten sei ein stärkerer Alkoholkonsum bei Menschen, die arbeitslos geworden sind, heißt es in der Studie. Zudem hätten im Kommunismus vor allem die Arbeitgeber medizinische und soziale Versorgung ihrer Beschäftigten gewährleistet. Diese Versorgung sei bei Privatisierungen meist verloren gegangen oder stark zurückgefahren worden.
Ein anderer Weg
In anderen Ostblockländern, die langsamer privatisiert oder über ein gutes soziales Netz außerhalb der Firmen verfügt hätten, sei die erhöhte Sterberate nicht zu beobachten, hieß es. Dies seien Albanien, Kroatien, die Tschechische Republik, Polen und Slowenien. Dort sei die Arbeitslosigkeit nur um zwei Prozent gestiegen und die Sterbezahlen bei Männern zwischen 1991 und 1994 um zehn Prozent zurückgegangen.
Die Studie über den Ostblock könne Schwellenländern wie Indien, China, Ägypten oder auch dem Irak eine Lehre sein, wo weite Teile des Staatssektors erst noch privatisiert werden müssten, erklärten die Forscher. "Es sollte mit großer Vorsicht vorgegangen werden, wenn Wirtschaftspolitik versucht, eine Volkswirtschaft radikal zu verändern." Die Studie wurde von David Stuckler von der Universität Oxford, Lawrence King von der Universität Cambridge und Martin McKee von der London School of Hygiene and Tropical Medicine erstellt. (APA)