Wien/Kiel - Wie das Wissenschaftsmagazin "Nature Genetics" am Wochenende in seiner neuen Online-Ausgabe berichtete, hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftern unter Mitwirkung von Neurologen und Kinderärzten der Medizinischen Universität Wien einen Gendefekt gefunden, den man erblich bedingten Epilepsien zuordnen kann. Als Ort für den Defekt bestätigte sich - wie bereits zuvor angenommen - das Chromosom 15 des menschlichen Erbguts, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung der MedUni Wien.
Bei einem Teil der untersuchten Kranken fehlte ein Teil des Chromosoms 15 in der Region 15q13.3. Untersuchungen an weiteren Patienten aus den USA bestätigten das Ergebnis. Das komplette Fehlen kleiner Chromosomenstücke, im Fachjargon Mikrodeletion, wurde bisher noch nicht mit dem Auftreten häufiger Erkrankungen, zu denen auch ein Großteil der Epilepsien zählen, in Verbindung gebracht.
Erkenntnisgewinn
Der Erstautor der Studie, Ingo Helbig, von der Universität Kiel und der Klinik für Neuropädiatrie des Universitätsklinikums im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein: "Wir wussten bisher nicht, dass Mikrodeletionen, also das Fehlen ganzer Chromosomen-Abschnitte mit mehreren Genen, auch eine Ursache für die Gruppe der häufigen Erkrankungen sind. Die Erkenntnis darüber, was häufige Erkrankungen auslösen kann, wird damit deutlich vorangebracht."
Hintergrund
Bis zu drei Prozent der Bevölkerung erleiden im Leben epileptische Anfälle, etwa ein Prozent gilt als epilepsiekrank. Die Forscher hoffen, dass das Wissen um den neu entdeckten Gendefekt eine gezielte Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung erblich bedingter Epilepsie ermöglicht. Bisher liegen fast ausschließlich Genfunde vor, die mit den selteneren Formen der Epilepsie in Verbindung stehen. Deshalb sind die neuen Erkenntnisse sehr wichtig. Erbliche Faktoren spielen in vielen Epilepsien eine herausragende Rolle. Insgesamt waren an der Studie, die der Kölner Experte Thomas Sander koordinierte, 44 Autoren beteiligt. Davon kamen Fritz Zimprich (Univ.-Klinik für Neurologie) und Martha Feucht (Universitäts-Kinderklinik) aus Wien. (APA)