Zürich/Berlin - Die intensiven diplomatischen Versuche, eine Waffenruhe im Gazakrieg herbeizuführen, werden am Freitag in der internationalen Presse kommentiert:

"Neue Zürcher Zeitung" (NZZ):

"Da laut eigener Einschätzung die meisten Kriegsziele offenbar erreicht sind, muss Israels Regierung entscheiden, wie und wann sie die Truppen aus dem Gazastreifen zurückzieht. Während die Medien schon über Israels Exit-Strategie spekulieren, herrscht innerhalb der Führungstroika keine Einigkeit darüber, wie die Militäroperation beendet werden soll. Laut Indiskretionen, die an die Öffentlichkeit drangen oder von interessierten Kreisen gezielt placiert wurden, will Ministerpräsident Ehud Olmert die Operation vorderhand fortsetzen. Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenministerin Tzipi Livni andererseits sind der Meinung, dass es an der Zeit sei, die Truppen abzuziehen. (...) Die Außenministerin, die sich Hoffnungen auf die Übernahme des Ministerpräsidentenamtes macht, ist sich ihrerseits bewusst, dass jeder weitere Tag, an dem Truppen im Gazastreifen agieren, dem internationalen Ansehen Israels großen Schaden zufügt."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Frieden ohne Zugeständnisse gibt es nur, wenn die Niederlage einer Seite total ist, wenn sie kapitulieren muss. Das ist im Konflikt zwischen Israel und Hamas bisher nicht der Fall. Die Islamisten kämpfen verbissen weiter. Sie meinen, der Übermacht der israelischen Armee noch länger trotzen zu können - auch wenn das auf dem Rücken der Zivilbevölkerung geschieht. Sie warten offenbar auf ein für sie halbwegs akzeptables Angebot für das Kriegsende. Was bisher durchdringt an Details einer möglichen Vereinbarung, kann der Hamas nicht gefallen. (...) Teil eines Waffenstillstandsvertrags soll offenbar auch sein, die Hamas zu entmachten. Will man Mahmoud Abbas und die Fatah so zurück nach Gaza bringen? Israels Außenministerin hat offen erklärt, Resultat des Kriegs dürfe nicht 'die Rückkehr zum Status quo' sein. Die Frage ist, ob die Vermittler Hamas mit solchen Waffenstillstands-Modellen zu einem raschen Aufgeben bewegen können."

"die tageszeitung" (TAZ) (Berlin):

"Selbst das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Gaza wird zur Zielscheibe israelischer Bomben. Kein Ort ist mehr sicher für die Menschen im Gazastreifen. Noch ist die Macht der Hamas nicht gebrochen. Wenn sie überlebt - und dafür spricht einiges -, wird sie die eigene Strategie des Einbunkerns als heroischen Sieg über Israel feiern. Und in den Straßen der arabischen Welt wird ihr Mythos neue Urständ feiern. Sie hat drei Wochen gegen die überlegene israelische Feuerkraft standgehalten - und nicht nur sechs Tage wie die arabischen Armeen vor gut 40 Jahren. Die politischen Zugeständnisse, die sie für eine Waffenruhe machen muss, werden ihr nur bedingt schaden, wenn die Belohnung für eine effektive Grenzkontrolle und die Einstellung des Raketenbeschusses auf Israel die Öffnung der Grenzen des Gazastreifens ist. Die Zerstörungen in Gaza, die hohe Zahl der getöteten Kinder und Frauen, das ungeheure Leid und Elend der Bevölkerung dürften nicht zu Unrecht Israel angelastet werden.

Auch wenn Hamas zivile Opfer als Teil der eigenen Strategie einkalkuliert. In der Tat stellt sich für Israel die Frage, wieso eine Armee, die ihre Abschreckungsfähigkeit und Schlagkraft wiederhergestellt haben will, nach drei Wochen Krieg noch keine Hamas-Kämpfer oder auch nur einen einzigen ihrer Führer vor den Kameras präsentieren kann. Die Zerstörungswut, die sich in diesen Tagen im Gazastreifen manifestiert, kann schwerlich als militärisches Geschick interpretiert werden. Die humanitäre Katastrophe, die Israel in Gaza verursacht oder zumindest in Kauf genommen hat, wird das Bild eines angemessen reagierenden, an westlichen Werten orientierten Staates jedenfalls schwer erschüttern."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Ein für die Hamas 'ehrenvolles' Ende des Krieges bedeutete zugleich eine Demütigung für die Fatah, den Verhandlungspartner Israels. Mit jedem Moment, mit dem die Hamas ihre Zusage zur Waffenruhe in Kairo verzögert, wird der Ring um die Anführer im Gazastreifen enger. (...) Nach inoffiziellen Informationen will Ägyptens Präsident Hosni Mubarak über Israels Forderungen nach dem Ende des Raketenbeschusses und Waffenschmuggels die Behörde von PLO-Chef Abbas wieder stärken. Die Hamas soll die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaft von Abbas anerkennen, obwohl seine reguläre Amtszeit am 9. Januar auslief. Sie soll auch die Autorität der Fatah-Regierung sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen akzeptieren. (...) Die ägyptischen Forderungen gehen weit über das hinaus, was Israel verlangt. In Israel heißt es, das könne die Hamas nicht hinnehmen, und daher verzögerten sich auch die Verhandlungen. Ägypten möchte den islamistischen Feind im Gazastreifen offenbar loswerden und baut dabei freilich auf eine Fatah, die Kairo für stärker hält, als die israelische Regierung es tut."

"The Times" (London):

"Es ist an der Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen: Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, und die Beschaffenheit der Feinde macht diese Aufgabe sehr schwer. Die Hamas, wie die Hisbollah im Libanon, benutzt die Zivilbevölkerung als Schutzschild. So wie ihr wichtigster Geldgeber, der Iran, will die Hamas nicht die Gründung eines palästinensischen Staates, sondern die Vernichtung des jüdischen Staates. Deshalb hatte Israel, als vor einem Monat die Waffenruhe mit Hamas-Raketen auf Israel gebrochen wurde, keine andere Wahl, als den Krieg fortzusetzen. Doch die Notwendigkeit des Zurückschlagens darf nicht die Fehler Israels entschuldigen. Die Welt erwartet von der Hamas, dass sie Israel akzeptiert und auf Gewalt verzichtet, von Israel erwartet sie, dass es den Krieg mit mehr Respekt vor dem Leben der Zivilbevölkerung führt."

"La Stampa" (Turin):

"Der Waffenstillstand scheint inzwischen doch mehr als nur eine taktische Hypothese zu sein. Die Zeit drängt jedenfalls. Israel will das Kapitel mit der Gewissheit abschließen, auf 'unmissverständliche' Weise den Sieg erklären zu können. Unterdessen sucht die Hamas einen heroischen Ausweg, also die Bestätigung ihres weiterhin ungebrochenen Widerstandes, auch weil das bei den nächsten palästinensischen Wahlen von Gewicht ist. Was auf dem Spiel steht, hat somit eine militärische und eine politische Seite, vor allem jedoch eine symbolische. Und das nach 20 Tagen Krieg und nahezu 1100 Toten, ein Viertel davon Kinder, sowie 4600 Verletzten, mit den internationalen Organisationen unter Beschuss und einer 'tief besorgten' amerikanischen Außenministerin."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Was die internationalen Streitkräfte angeht, so sind jetzt die Gleichgewichtskünstler gefragt. Die Hamas will sie nicht auf ihrem Territorium, es sei denn, es handelt sich um Türken. Ägypten will sie nicht auf ägyptischem Boden. Israel will sie, aber unterstützt von einem deutsch-amerikanischen technischen Team, das am Grenzübergang Rafah ein ausgeklügeltes Überwachungssystem installiert. Dazu hat US-Außenministerin Condoleezza Rice bereits gesagt, dass es bereit stehe. Unterdessen ist es für den gesamten Mittleren Osten das dritte Freitagsgebet in Wut. Wenn es wahr ist, dass der Krieg zu Ende geht und der Frieden vor der Tür steht, dann sieht man das jedenfalls nicht." (APA/dpa)