Bild nicht mehr verfügbar.

82 Prozent der einkommensschwächeren Haushalte achteten im Vorjahr mehr auf den Preis als auf Qualität, zeigt eine GfK-Studie.

Foto: Reuters

Wien - Diskonter erleben in Österreich einen zweiten Frühling. Steigende Preise und flaue Konjunktur treiben Konsumenten stärker denn je in ihre Arme. Allein Lidl zog in den ersten neun Monaten 2008 sieben Prozent mehr Kunden an, zeigt eine Statistik der GfK Austria. Der Umsatz der Kette legte um mehr als 20 Prozent zu. Konventionelle Supermärkte sind von den diesen Zuwachsraten derzeit weit entfernt.

Billiganbieter sichern sich damit alles in allem bereits 34 Prozent des Lebensmittelhandels; 2007 lag ihr Anteil noch bei knapp über 32 Prozent. Und anders als in den Jahren zuvor, wachsen sie weniger durch neue Verkaufsfläche, als durch den Ausbau ihrer Kundenpalette. "Wir sprechen eben zunehmend auch einkommensstärkere Konsumenten an" , sagt Hanno Rieger, Lidl Österreich-Chef, zum STANDARD.

Starke Expansion

Dass Lidl ein Gewinner der Krise sei, halte er für übertrieben. Der Zulauf an Kunden sei auch in den Jahren zuvor hoch gewesen. International katapultierte sich Lidl in den vergangenen fünf Jahren vom zehnten auf den siebten Rang der Diskontriesen. Kopf an Kopf mit Aldi erobern die Deutschen nun einen Krisenmarkt nach dem anderen. Auf der Expansionsliste: die USA, Großbritannien, Spanien.

In Österreich setzte Lidl laut Firmenbuch 2007 mit 170 Filialen 715 Millionen Euro um. Hofer soll mit 421 Standorten auf 3,3 Milliarden kommen. Beide Ketten wollen heuer 20 weitere Märkte eröffnen. Und wie Hofer sieht sich auch Lidl verstärkt in Innenstädten um.
Das Bild des Diskonters, der sich auf der grünen Wiese ausbreite, sei überholt, meint Rieger. Er sehe Lidl als Nahversorger, "im städtischen Bereich gibt es für uns viele weiße Flecken" . Das Format der Billiganbieter habe sich ohnehin längst gewandelt: Von kleinen Sortimenten in hässlichen Verpackungen könne heute keine Rede mehr sein.

Das gilt auch für die Preise. Österreichs Lebensmitteldiskont hat seine Produkte in den ersten neun Monaten 2008 im Schnitt um 7,4 Prozent verteuert, geht aus der Studie der GfK hervor. In der gesamten Branche erhöhten sich die Preise lediglich um 5,5 Prozent. Strukturell bedingt nach wie vor billiger gibt sich der deutsche Handel.

"Regalpatriotismus"

Die Preise seien in Deutschland niedriger, bestätigt Rieger. Auf der anderen Seite sei Österreichs Handel wesentlich aktions- und rabattgetriebener. Dazu käme der ausgeprägtere "Regalpatriotismus". "Die Leute wollen österreichische Produkte." Seine Kette, die hierzulande lange auf deutsche Lebensmittel vertraut hatte, habe daher umgeschwenkt. Mittlerweile kämen etliche hundert der insgesamt 1300 Artikel aus Österreich, versichert Rieger, "wir bauen das weiter aus."

Anders als Hofer, der mit Eigenlabels expandiert, wächst Lidl über aggressive Preispolitik bei Markenartikeln, heißt es bei der GfK. Rieger will das nicht ganz so sehen: Industriemarken seien nur eine Ergänzung, wichtigster Baustein eigene Labels. Was den Skandal rund um Bespitzelung von Mitarbeitern in Deutschland betrifft, habe Lidl daraus seine Lehren gezogen. Man setze nun klare Grenzen bei der Überwachung. "Die Wogen haben sich geglättet." GfK-Experte Tobias Schediwy sieht Diskonter in Österreich weiter wachsen. Konventionelle Supermärkte seien, sofern sie sich auf ihre Stärke konzentrierten, aber noch lang kein Auslaufmodell - auch ein Hofer könne schließlich nur fünf Top-Weine anbieten. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.1.2009)