Berlin - "In der globalen Krise werden alle Welthandelsprinzipien über Bord geworfen" . So milde kommentiert der russische Agrarminister Alexej Gordejew die Ankündigung von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, mit Interventionskäufen und Exporthilfen die nach unten rasselnden Milchpreise stabilisieren zu wollen. Dieses agrarpolitische Stützungsinstrument hätte im Rahmen der Verhandlungen zu einer Liberalisierung des Welthandels eigentlich verboten werden sollen - schließlich wird mit einem solchen Dumping den Bauern armer Länder der Zutritt zu den Welthandelsmärkten verwehrt. Häufig werden diese armen Bauern mit ihren Produkten in ihrer Heimat selbst unterboten.

Negative Handelsbilanz

Gordejew, der das Scheitern der sogenannten Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) auf unüberbrückbare Differenzen im Agrarbereich zurückführt, meint, dass sich Russland die Instrumente, mit denen die EU ihre Landwirtschaft stützt, sehr genau ansehen werde. Der Grund: "So etwas Ähnliches wollen wir auch."

Russlands Handelsbilanz im Agrarsektor ist negativ. Dies, so der Minister, sei auch auf protektionistische Maßnahmen der EU zurückzuführen. Auch die von der EU vermehrt praktizierte "ländliche Entwicklung" sei eine solche Maßnahme, auch, wenn sie im Rahmen der WTO als eine erlaubte Hilfsart angesehen werde.

Recht auf Nahrung

Nach Ansicht Russlands gehörten Handelsfragen rund um Nahrungsmittel aus der WTO herausgelöst, sagte Gordejew bei einer Pressekonferenz auf der Berliner Landwirtschaftsmesse Grüne Woche. "Fragen des weltweiten Agrarhandels wären bei der FAO (der Food and Agriculture Organisation, einer UN-Organisation) besser aufgehoben. Denn jedes Land, jeder Block hat ein Recht auf Ernährungssicherheit, ebenso wie auf Energiesicherheit." Russland ist der größte Aussteller auf der Messe, die auch Ministerpräsident Wladimir Putin besuchen wird. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.1.2009)