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Bis in die 50er- und 60er-Jahre hielt sich die Auffassung: Eine Pankreasoperation überlebt der Patient nicht. In den heutigen Zentren könne man durch moderne Operationstechniken, Narkoseverfahren und Intensivmedizin die Eingriffe sicher durchführen.

Foto: APA/H.P. Klemenz

Wer denkt schon an seine Bauchspeicheldrüse? Hand aufs Herz - nur diejenigen, die sie gerade plagt. Damit ist die ganze Misere auch schon beim Namen genannt. Dem mittig zwischen Magen, Milz und Leber gelegenen Organ widmet der Mensch kaum Aufmerksamkeit.

Dabei kann der Mensch nur mithilfe der Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, Nahrung und Flüssigkeit aufnehmen. Täglich produziert sie bis zu 1,5 Liter Verdauungssaft. Die Zusammensetzung ihres Sekrets stimmt sie stets genau auf das zugeführte Essen ab. Tausende locker zusammengehaltene Läppchen aus Zellen und Drüsengängchen sorgen dafür, dass Fleisch, Fisch, Käse und Süßigkeiten vom Dünndarm umgesetzt und aufgenommen werden. Etwas bekannter sind die dort liegenden Langerhans'schen Inseln, die für die Zuckerregulationen unabdinglich sind. Trotzdem fällt selbst im Zusammenhang mit Diabetes nur selten ein Wort über dieses wichtige Organ.

Erst wenn es seine Arbeit einstellt, tritt es ins Bewusstsein und kann sogar Aktienwerte beeinflussen. Als bekannt wurde, dass Apple-Chef Steve Jobs nach vier Jahren erneut an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war, reagierte die Börse mit Kurseinbrüchen, als bekannt wurde, dass es sich "nur" um ein hormonelles Problem handelt, stiegen sie wieder (der Standard berichtete).

"Dieses Hormon-Ungleichgewicht kann durchaus auch eine Folge des Krebsleidens sein", sagt Werner Scheithauger, Spezialist vom AKH in Wien. Dabei gerät die Produktion der Verdauungsenzyme in Verzug, weil etwa die Signale aus dem Magen nicht richtig weitergeleitet werden. Die Patienten magern ab, leiden an Durchfall, dem sogenannten Fettstuhl. Tatsächlich lassen sich solche Funktionsstörungen mit Diät und in Tabletten zugeführten Enzymen oft gut behandeln. Dass der Apple-Chef seinen Krebs bereits im fünften Jahr überlebt, lässt ihn allerdings "einer glücklichen Minderheit angehören", so Scheithauer.

Ohne Symptome

Denn: Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den heimtückischsten Krebsarten. "Menschen sind darauf programmiert, ihre inneren Organe nicht zu spüren", erklärt er. Andernfalls würden sie sich bei jeder Mahlzeit vor Schmerzen winden. Doch genau diese Schmerzlosigkeit wird beim Pank-reaskarzinom zur Falle. Der Tumor wächst über lange Zeit unbemerkt, sodass Ärzte ihn nach seiner Entdeckung nur noch schwer stoppen können. Obwohl jährlich nur etwa 1300 Österreicher daran erkranken, macht diese Eigenschaft ihn zu einer der tödlichsten Krebsformen. Zudem hat die Häufigkeit in den vergangenen Jahren zugenommen.

Die Gründe dafür hat Scheithauer schnell aufgezählt. Fettreiche und gemüsearme Ernährung sowie Rauchen machten den Menschen für Bauchspeichelkarzinome anfällig. Eine geringere Gefahr gehe auch von Diabetes sowie einer chronischen Pankreasentzündung aus, und etwa bei fünf Prozent der Patienten stecke die Veranlagung in den Genen. Glück im Unglück haben Menschen, bei denen der Tumor weit vorn an der Galle liegt, einen Gallenstau und damit eine Gelbsucht verursacht. "Das sind die Fälle, in denen ein Symptom auftritt, und der Tumor noch operabel sein kann", erklärt der Wiener Experte.

Andernfalls können Monate vielleicht Jahre vergehen, bis die Betroffenen etwas bemerken. "Wenn starke Schmerzen im Bauch oder Rücken auftreten, hat sich der Tumor auf das umliegende Gewebe ausgebreitet", sagt Scheithofer. Die Zahlen sind ernüchternd: Nur etwa 20 Prozent aller Tumoren sind noch so klein, dass sie operiert werden können, bei 40 Prozent ist das Nerven- und Gefäßsystem bereits befallen, und bei weiteren 40 Prozent haben sich Metastasen gebildet. Das ist dann Stadium IV.

In dieser Phase befindet sich derzeit Hollywood-Veteran Patrick Swayze (siehe Artikel). Seine Überlebenschancen schienen fraglich. Doch Swayze ließ sich in einer Fachklinik in Stanford behandeln. Weil der Krebs schwer zu therapieren ist, sei es umso wichtiger, dass Patienten möglichst schnell ausgewiesene Spezialzentren konsultieren, sagt Scheithauer.

Prinzip Hoffnung

Eine der weltweit größten Spe- zialkliniken ist das Europäische Pankreas Zentrum (EPZ) an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. "Wir können etwa bei jedem zweiten Patienten, der bereits wegen zu weit fortgeschrittener Tumoren für nicht operierbar gehalten wurde, operieren", sagt Jens Werner, leitender Arzt am EPZ. Er ist darum bemüht, Patienten trotz düsterer Statistiken Hoffnung zu geben.

"Diese Angst vor dem Krebs rührt oftmals aus der Geschichte", sagt Werner. Noch bis in die 50er- und 60er-Jahre hielt sich die Auffassung: Eine Pankreasoperation überlebt der Patient nicht. Das sei tatsächlich einmal so gewesen: "Vor 100 Jahren", setzt er hinzu.

In den heutigen Zentren könne man durch moderne Operationstechniken, Narkoseverfahren und Intensivmedizin die Eingriffe sicher durchführen. Monatlich operieren die Heidelberger etwa 50 Patienten - ein Vielfaches dessen, was in anderen Kliniken absolviert wird. Auch die Langzeitprognose hat sich durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und durch deren gemeinsame Therapiestrategien verbessert. Lebten früher lediglich fünf Prozent aller Patienten fünf Jahre nach der Behandlung noch, steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit heute je nach der Entfernung des Tumors auf etwa 25 Prozent, in manchen Krankheitsstadien gar bis auf 40 Prozent. (Edda Graba, DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2009)