Die Regierung Obama ist gleichzeitig eine Regierung Clinton, eine Art dritte Amtszeit dieses Power-Paares der amerikanischen Politik. Schon zum Auftakt des Nominierungsparteitags hatten die Clintons ihre Auftritte. Die indirekte Botschaft: Wenn Obama Hillary nicht zur „Vize" macht, dann mindestens zur Außenministerin. Das war die Botschaft. Der neue Präsident brauchte das Clinton-Camp auch deshalb, um genug erfahrene Leute für die Lösung kniffliger Probleme aufbieten zu können. Das heißt aber auch: Obamas Kabinett ist eines der politischen Mitte. Wie jenes seines Vor-Vorgängers.

Europas Experten werden sich daher an die 90er-Jahre erinnern. Wie ist man damals in Washington behandelt worden? Die kurze Antwort: Bill Clinton und seine europäisch gesinnte Außenministerin Madelaine Albright haben militärisch den Konsens gesucht - sonst hätte der Balkan-Krieg viel länger gedauert. Wirtschaftlich war es anders. Die USA waren auch unter Clinton sehr offensive Rivalen. Zölle und Subventionen waren immer umstritten.

Die neue Chefin im Außenamt wird auch auf diesem Gebiet tätig sein. Sie vergrößert ihre wirtschaftspolitische Abteilung. Die erste Nagelprobe wird bald stattfinden. Können sich die USA mit der EU auf stärkere Kontrollen des Finanzmarktes einigen? Die Clinton-Leute, einst massive Anhänger des „freien Marktes", halten sich vorläufig bedeckt.

Weil Barack Obama, ganz auf den Spuren Al Gores, lauter Verfechter der Kioto-Ziele in die Umwelt-Verantwortung berufen hat, wird es hier zusammen mit der EU zu Fortschritten kommen. Das hat auch ökonomische Umschichtungen zur Folge. Die USA werden auch dem Internationalen Strafgerichtshof beitreten, und sie werden Stück für Stück die Einwanderungsrichtlinien entkrampfen. In absehbarer Zeit wird man solche Dummheiten wie die Computer-Abfrage nicht mehr benötigen. Fingerabdrücke aber schon. Eintracht also auf mehreren Gebieten. Zwietracht auf anderen? Nicht gleich, für kleinere Konflikte ist gesorgt.

Obama hat bereits mehrmals die Europäer aufgefordert, sich stärker in Afghanistan zu engagieren. Merkel, Sarkozy und Co haben gleich abgewunken. Weshalb sich ein Kompromiss abzeichnen könnte. Die USA verlegen Truppen vom Irak nach Afghanistan, die Europäer verstärken ihre Präsenz hinter den Fronten. Logistik, Militär- und Polizeitraining, Infrastruktur (allerdings ohne die Eismaschinen, Discos und Golfplätze der Bush-Krieger).

Eine zweite Problematik ist die Auflassung von Guantánamo. Länder, die dort keine eigenen Bürger als Gefangene haben, werden andere wohl nicht nehmen. Sie werden alle so reagieren wie Kärnten im österreichischen Kontext.

Hier stößt Obamas Popularität selbst in Europa an Grenzen. Zum US-Präsidenten hätte ihn hier herüben eine große Mehrheit gewählt. Zum eigenen Staatsoberhaupt wohl nicht. Was also wird er anbieten, um Störrische zu überzeugen? Ganz offensichtlich hat er vor, ähnlich der EU in den letzten Jahrzehnten, auf das Verhandeln zu setzen. Mit der iranischen Spitze zu sprechen, mit der radikalen Hamas zumindest indirekt. Das fördert sicher die atlantische Partnerschaft. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2009)