Die Royal Bank of Scotland meldete am Montag einen Megaverlust und löste damit in ganz Europa eine Flucht aus Bankaktien aus. Erste-Bank-Aktien stürzten um 16 Prozent ab. Neue Rettungspakete werden geschnürt.
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Wien - Die britische Regierung hat ein zweites Rettungspaket für Krisen-Banken beschlossen. Der Staat will Institute gegen Risiken ihrer faulen Kredite versichern. Die Versicherung, für die Steuerzahler geradestehen, soll den Kreditfluss wieder in Gang bringen. Im Gegenzug müssen die Banken das Ausmaß ihrer Risiko-Kredite offenlegen. Das Volumen "toxischer Kredite" in den Büchern britischer Banken wird auf 200 Mrd. Pfund (221 Mrd. Euro) geschätzt.
Darüber hinaus soll es auch Direkthilfen für eigentlich gesunde, aber zunehmend illiquide Unternehmen geben, denen die Banken Kredite verweigern. Und: Die englische Notenbank Bank of England will sich durch den Ankauf von Anleihen mit bis zu 50 Milliarden Pfund (55,14 Mrd. Euro) direkt an Unternehmen beteiligen.
Das eilig geschnürte britische Rettungspaket kommt keinen Tag zu früh, die angeschlagene Royal Bank of Scotland (RBS) hat die Berichtssaison mit einem Paukenschlag eröffnet: Sie weist 2008 mehr als 20 Milliarden Pfund (22 Mrd. Euro) Verlust aus - der größte eines Unternehmens in der britischen Wirtschaftsgeschichte. Mit Abschreibungen auf den Unternehmenswert sei sogar ein Verlust von bis zu 28 Mrd. Pfund möglich. Der Staat, er hält bereits 58 Prozent an RBS, stockt auf fast 70 Prozent auf. Die Aktie brach um 66,57 Prozent auf 13,25 Pence ein.
An Europas Aktienbörsen schlug die Nachricht wie eine Bombe ein - und setzte einen Absturz von Bank-Aktien in Gang.
Besonders dick bekamen es Erste Bank ab, sie stürzte nach Einlangen einer großen Verkaufsorder um 15,5 Prozent auf 11,45 Euro ab und zog den ohnehin schwachen Wiener Markt noch weiter hinunter. Satte 75 Punkte kosteten allein die Kursverluste bei den fünf größten Blue-Chips den ATX und brachten der Ersten den Stockerlplatz als Tagesverlierer. Raiffeisen International verschlechterten sich um 7,50 Prozent auf 14,81 Euro. Hinunter gezogen wurden auch alle anderen ATX-Schwergewichte: Telekom Austria standen in einem gegen den Trend festen europäischen Telekomsektor deutlich unter Druck und fielen um 4,12 Prozent auf 10,47 Euro. OMV ermäßigten sich um 4,02 Prozent auf 19,35 Euro und Verbund, die sich lange im Plus halten konnten, schlossen um 1,49 Prozent schwächer bei 29,12 Euro. Der ATX verlor 5,21 Prozent auf 1642,68 Punkte.
Deutliche Kursverluste verzeichneten auch die wichtigsten europäischen Aktienmärkte. BASF-Aktien gaben nach Ankündigung von Kurzarbeit um 4,55 Prozent auf 22,68 Euro nach und zogen den Dax in Frankfurt um 1,15 Prozent in die Verlustzone auf 4316 Zähler.
Angesichts der finanziell desaströsen Lage zahlreicher Banken nehme die Nervosität wieder zu, sagte ein Händler. Trotz milliardenschwerer staatlicher Hilfen kämpfen zahlreiche Banken in Europa weiter ums Überleben. Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems geht wieder um.
In London büßten Lloyds-Aktien um 33,94 Prozent auf 74,25 Pence ein. Lloyds Banking Group hatte die Übernahme des Konkurrenten HBOS als abgeschlossen gemeldet. Bis Ende 2011 werde mit Kosteneinsparungen vor Steuern in Höhe von jährlich 1,5 Milliarden Pfund gerechnet, teilte die frühere Lloyds TSB mit. Auch im Leitindex der Eurozone waren die Bankenwerte die größten Verlierer. Societe Generale sanken um 10,25 Prozent auf 28,54 Euro und ING Groep 8,39 Prozent auf 6,22 Euro. Der Eurostoxx-50 gab um 1,27 Prozent auf 2252,39 Zähler nach.
Dass das zweite britische Bankenpaket Vorbild für andere Länder sein und auf dem G-20-Gipfel im April in London diskutiert werden soll, wie Premier Gordon Brown sagte, tröstete nicht. Auch nicht, dass Dänemark ein 13 Milliarden Euro Banken-Hilfspaket geschnürt hat. Die Finanzspritze soll den Häusern ermöglichen, die eingefrorene Kreditvergabe wieder aufzutauen. Verzinst wird das Kapital jährlich mit zehn Prozent.
In Deutschland gerät unterdessen die Mehrheitsübernahme des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) durch den Bund ins Stocken. Die Politik müsse sich erst klar werden, welche Rolle sie bei der HRE einnehmen wolle, heißt es. Zudem sorgt die Höhe der "giftigen Kredite" insgesamt für Verunsicherung. Laut Spiegel besitzen die deutschen Banken "toxische Wertpapiere" im Volumen von rund 300 Mrd. Euro, von denen erst rund ein Viertel abgeschrieben worden seien. Der Rest stehe noch immer in den Büchern.
Der japanische Zentralbankgouverneur Masaaki Shirakawa vermutet, dass in den weltweiten Bankbilanzen mehr faule Kredite schlummern als in bisherigen Schätzungen veranschlagt. Shirakawa erwartet, dass die derzeitige Zahl von 1,4 Billionen Dollar (1055 Mrd. Euro) "noch ein wenig weiter steigen wird" .
EZB senkt Einlagen-Zinsen
Um den Geldmarkt in Europa anzukurbeln, senkt die Europäische Zentralbank (EZB) morgen, Mittwoch, den Zinssatz für Bankeinlagen auf ein Prozent. Geld über Nacht bei der EZB zu parken, wie das Nacht für Nacht mit bis zu 300 Milliarden Euro passiert (anstatt es höherverzinst anderen Banken zu leihen), verliert damit an Attraktivität. Brent-Öl fiel tagsüber um 2,77 Dollar auf 43.80, kletterte aber zurück auf 44.50. (Reuters, red/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)