Äußerst kritisch fällt der offizielle ORF-Rechnungshofbericht aus. Der Rechnungshof ortet ein hohes Reform- und Sparpotenzial im öffentlich-rechtlichen Sender und bleibt im Wesentlichen bei seiner bereits im Rohbericht geäußerten Beurteilung. "Dem ORF fehlte nach wie vor eine umfassende Gesamtstrategie. Die Folge waren ineffiziente Organisationsstrukturen, nicht realisierte Einsparungspotenziale und hohe Personalkosten", so der Kern des knapp 90-seitigen Berichts. Sowohl der ORF-Stiftungsrat als oberstes Aufsichtsgremium als auch das ORF-Direktorium erachtet der Rechnungshof als zu groß dimensioniert. In der Organisation des Senders werden "Schnittstellenprobleme, Doppelgleisigkeiten und nicht klar abgegrenzte Verantwortlichkeiten" konstatiert.

Aufrechterhalten wird von den Rechnungshofprüfern unter anderem die Kritik an der Errichtung einer eigenen Online-Direktion. Empfohlen wird eine Auflösung, da Online-Agenden auch von der "am Markt gut positionierten" Tochtergesellschaft ORF Online und Teletext umgesetzt werden könnten. Der ORF hatte in seiner Stellungnahme an den Rechnungshof auf die zunehmende Bedeutung dieses Geschäftsfeldes hingewiesen und erklärt, dass die Einsparung der Führungsstruktur lediglich zu einer Personalkostenreduktion von 0,2 Prozent führen würde. Der Rechnungshof erwiderte, dass dies immerhin einen Betrag von 750.000 Euro darstellen würde. Angesichts der wirtschaftlichen Lage des Senders hält man die ORF-Argumentation für "nicht stichhaltig".

Produktionsabläufe wenig aufeinander abgestimmt

In einigen Medienbereichen des ORF seien unterdessen Produktionsabläufe in den Redaktionen und Programmabteilungen wenig aufeinander abgestimmt. So würden in den einzelnen Direktionen "mehrere Organisationseinheiten" bestehen, die "annähernd gleiche Sachthemen" wie Information, Kultur, Sport, Wetter oder Religion behandeln. Der Rechnungshof schlägt vor, "die Redaktionsstrukturen und -konzepte zu überarbeiten und die generelle redaktionelle Trennung von Fernsehen, Radio, Online und Teletext zu überdenken". Trimediales Arbeiten sollte demnach gefördert werden. "Das heißt, jeder Redakteur sollte Beiträge für Fernseh- und Radioprogramme sowie für das Internet verfassen." In den Landesstudios sei dies "standardmäßig bereits eingeführt". Die ORF-Sorge um die mögliche Gefährdung der journalistischen Pluralität hält man für unbegründet.

Moniert wird weiters die 2007 erfolgte Zweiteilung der TV-Hauptabteilung Information. "Dies hatte zur Folge, dass zusätzlich stellvertretende Chefredakteure, eigene Sendeverantwortliche und fünf Ressortverantwortliche bestellt wurden. Gegenüber 2004 erhöhte sich der Personalstand um 13,2 Prozent", heißt es im Rechnungshofbericht. Der ORF begründete dies mit mehr journalistischer Vielfalt und einer Ausweitung des Produktionsumfangs. Der Rechnungshof empfiehlt demgegenüber, bei der Schaffung von Organisationseinheiten künftig stärker auf das Kosten-/Nutzenverhältnis zu achten.

Mehr Kostenbewusstsein gefordert

Auch bei den Sportrechten wünscht sich der Rechnungshof mehr Kostenbewusstsein. Die Programmkosten im Sport betrugen 2004 rund 57 Mio. Euro und stiegen bis 2007 auf knapp 71 Mio. Euro. Wesentlicher Faktor dabei waren die Rechte- und Lizenzkosten. Bei Neuabschluss von Lizenzverträgen sollten deshalb künftig "wirtschaftliche Gesichtspunkte und die Relation der Sendekosten je Minute zur erzielten Reichweite" berücksichtigt werden. Der bisherige Umfang der Sendung von Sportveranstaltungen sollte demnach evaluiert werden. Die Rechte- und Lizenzkosten verteilten sich 2007 zu 55,7 Prozent auf den Bereich Fußball (23,6 Mio. Euro), zu 22 Prozent auf die Formel 1 (9,32 Mio.), zu 13,4 Prozent auf den Wintersport (5,66 Mio.) und zu 6,5 Prozent auf Sonderproduktionen bzw. Großereignisse (2,76 Mio.).

Optimierungsbedarf orten die Prüfer aber auch im Marketing- und Personalwesen. 17 Organisationen und Tochterunternehmen würden ohne einheitliches strategisches Marketingkonzept operieren, sieben Organisationseinheiten seien mit Personalagenden betraut. Beim Radio Symphonie Orchester (RSO) hält man die Forderung nach Ausgliederung und klarer Definition des Auftrags aufrecht.

Der Rechnungshof spricht sich insgesamt für eine "tiefgreifende Reform" der ORF-Organisation aus: deutliche Straffung, flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege, klare Verantwortungen. "Insbesondere sollten die Anzahl der Direktoren reduziert, die Anzahl der Hauptabteilungen und sonstiger Organisationseinheiten verringert, die einzelnen Leistungsbereiche qualitativ verbessert, das bisherige Leistungsangebot eingeschränkt, Synergien stärker genutzt sowie die Redaktionen und Ressorts bereichsübergreifend vernetzt werden." Eine Umsetzung dieser Empfehlungen sei laut Rechnungshof "dringend erforderlich".

Kritik an hohen Technikkosten

Kritisch beurteilt der Rechnungshof die Situation in der ORF-Technik, jener Direktion mit dem größten Personalstand im ORF-Konzern. "Für das technische Personal bestanden begünstigende Sonderregelungen beim Arbeitszeit-KV, die einen flexiblen, dem Produktionsbedarf angepassten Personaleinsatz in den Produktionsbetrieben verhinderten." Darüber hinaus bestehe seit Jänner 2006 eine über den Kollektivvertrag hinausgehende Regelung für den Mehrarbeitszeitausgleich, die mit Mehraufwendungen von jährlich rund einer Million Euro verbunden ist.

Weitere Kritikpunkte: Die hohen Kosten der technischen Eigenleistungen würden die Konkurrenzfähigkeit des ORF beeinträchtigen, verspätete Leistungsanforderungen aus dem Programm erschwerten die Planung und verursachten mangelnde Auslastung des technischen Personals, und allein 2007 entfielen bis zu 41 Prozent der Arbeitszeit des technischen Personals auf allgemeine Arbeiten wie Wartungen und Instandhaltungen sowie auf Wartezeiten.

Auch einzelne Produktionen nahm der Rechnungshof ins Visier. Durch den Umstand, dass die politische Diskussionssendung "im Zentrum" nicht am ORF-Standort, sondern im Wiener Haas-Haus produziert wird, würden dem ORF jährliche technische Mehrkosten von rund 570.000 Euro entstehen. Auch die externe Produktion der "Barbara Karlich Show", für die der ORF zuletzt knapp vier Millionen Euro zahlte, könnte ORF-intern möglicherweise kostengünstiger umgesetzt werden. Weiters sieht der Rechnungshof Optimierungsmöglichkeiten beim Einsatz von Übertragungswägen.

Der Rechnungshof hält eine Strukturänderung, Produktivitätssteigerung und Kostenreduktion im Bereich der Technischen Direktion zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit des ORF für unbedingt erforderlich. Darüber hinaus werden umfangreiche Ausgliederungen empfohlen. Diese böten die Chance, "durch die Nichtanwendung des ORF-Kollektivvertrags Personalkosten zu reduzieren, die ablauftechnische Effizienz in den Prozessen zu verbessern und damit insgesamt die Wirtschaftlichkeit der Technischen Direktion zu steigern".

Mangelhafte Kontrolle durch Stiftungsrat

Als äußerst mangelhaft wird die Kontrolle durch den ORF-Stiftungsrat beurteilt. Das ORF-Gremium wurde zum einen von der ORF-Führung "nicht immer umfassend über den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens informiert", zum anderen machte der Stiftungsrat aber "von seinem im ORF-Gesetz eingeräumten, umfassenden Auskunftsrecht nicht ausreichend Gebrauch, um bestehende Informationsdefizite auszugleichen". Darüber hinaus ist der Stiftungsrat mit 35 Mitgliedern laut Rechnungshof "groß und unbeweglich". Als positives Beispiel verweisen die Rechnungshofprüfer auf andere Aktiengesellschaften des Bundes, bei denen die Aufsichtsräte aus sechs bis acht Mitgliedern (ohne Dienstnehmervertreter) bestehen. Daneben wird auch der Bayrische Rundfunk erwähnt, der über einen Verwaltungsrat mit sechs Mitgliedern verfügt.

Gegenüber dem Rohbericht verstärkte der Rechnungshof seine Kritik an der mangelnden Aufsicht durch den ORF-Stiftungsrat sogar. Das Gremiums hatte die Darstellung zurückgewiesen, wonach die Überwachung der Geschäftsführung nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen wurde. Die Größe des Stiftungsrats wurde mit dem "Pluralitätsprinzip" begründet. Im endgültigen Rechnungshofbericht bestätigen die Prüfer zwar, "dass sich der Stiftungsrat laut den Sitzungsprotokollen mit einer Vielzahl von Themen beschäftige", was jedoch die konkrete Kontrolle betraf, "ließ der in der Verantwortung einem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nachgebildete Stiftungsrat die erforderliche Beharrlichkeit und Konsequenz bei der Umsetzung seiner Standpunkte gegenüber der Geschäftsführung vermissen".

Finanzvorschauen mit "äußerst geringer Aussagekraft"

So habe es keinen konkreten Auftrag zur Ausarbeitung eines neuen Strategiekonzeptes gegeben, Finanzvorschauen mit "äußerst geringer Aussagekraft" wurden zur Kenntnis genommen, der Umsetzungserfolg nicht geprüft, und die Umsetzung von Einsparungspotenzialen wurde ebenfalls nicht konsequent eingefordert. Als jüngstes Beispiel führt der Rechnungshof die verspätete Beschlussfassung des Budgets 2008, die Finanzvorschau und den Erwerb einzelner Beteiligungen an. Die Unterlagen für die Stiftungsratssitzungen waren dabei "oft nicht aussagekräftig und für eine Beschlussfassung nicht geeignet", heißt es. "Eine daran anknüpfende Konsequenz für die Geschäftsführung war nicht erkennbar."

Im Personalbereich urgiert der Rechnungshof einen ORF-Kollektivvertrag, in dem "alle bestehenden Besserstellungen im Vergleich zum allgemeinen Arbeitsrecht beseitigt werden". Weiters sollten möglichst alle Arbeitnehmer in diesen Kollektivvertrag eingegliedert werden. Für rund 21 Prozent der ORF-Mitarbeiter galten im untersuchten Zeitraum "überaus großzügige Einzelverträge" der Freien Betriebsvereinbarung, für rund 79 Prozent drei verschiedene Kollektivverträge. Das durchschnittliche Jahres-Bruttogehalt je Vollzeitäquivalent eines ORF-Mitarbeiters betrug 2006 rund 68.000 Euro. Ein Arbeitnehmer kostet den ORF einschließlich der gesetzlichen und freiwilligen Sozialleistungen durchschnittlich 98.000 Euro pro Jahr. "Teilweise sehr großzügige und nicht immer nachvollziehbare" Gehaltszulagen sollten grundsätzlich überdacht werden. Bezieher einer Mehrdienstleistungspauschale sollten Zeitaufzeichnungen führen.

Leiharbeitskräfte will der Rechnungshof nur zur Abdeckung von Spitzenbedarf herangezogen sehen, da durch die von den Leiharbeitsfirmen verrechneten Aufschläge "erhebliche Mehrkosten" verursacht würden. Die Prüfer kritisieren weiters, dass die Pensionsregelungen des ORF "weiterhin sehr hohe Aufwendungen" verursachten, die "weit über den gesetzlichen Verpflichtungen" des Unternehmens liegen. Vorgeschlagen wird der "Abbau der Sonderpensionsrechte" und die Angleichung an die seit 1998 reformierten ASVG-Pensionsbestimmungen.

Kritik an den Gehältern der ORF-Geschäftsführung

Der Rechnungshof bleibt auch bei seiner Kritik an den Gehältern der ORF-Geschäftsführung. Die Jahresgehälter des Generaldirektors (2007: 349.000 Euro) und der Direktoren (2007: 240.000 bis 250.000 Euro) wurden jährlich mit Zustimmung des Stiftungsrats angehoben, obwohl in den Dienstverträgen keine automatische Erhöhung vorgesehen war. In den Direktorenverträgen wurden darüber hinaus "äußerst großzügige Abfertigungsregelungen" vereinbart. Und für qualitative Ziele sowie Ziele, für deren Erreichung kein wesentlicher Beitrag geleistet werden konnte, erhielten Generaldirektor, Direktoren und Landesdirektoren teilweise Bonifikationen.

Erneuert wird auch die kritische Beurteilung der finanziellen Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Senders. So wird negativ angeführt, dass der Generaldirektor des ORF bis zum Ende der Rechnungshofprüfung dem Stiftungsrat keine konkreten Vorschläge vorgelegt habe, wie die erforderlichen Einsparungsmaßnahmen und erlösseitigen Maßnahmen realisiert werden sollen. Der Rechnungshof empfiehlt, die Finanzplanung "transparenter" durchzuführen. Das vom Beratungsunternehmen McKinsey 2004 ermittelte Einsparungspotenzial von 27 Mio. Euro wurde von der Geschäftsführung nach und nach nach heruntergeschraubt. Legt man den nun vorgesehenen Einsparungsmaßnahmen den selben Umsetzungsgrad zugrunde, der bei der von McKinsey erstellten Gemeinkostenanalyse erzielt wurde (rund 52 Prozent), würde das Konzern-EGT des Jahres 2010 gleich um 36 Mio. Euro schlechter ausfallen als geplant.

Die Beteiligung an den Österreichischen Lotterien und Teile der Wertpapiere des Anlagevermögens stellen nach Ansicht des Rechnungshofs kein betriebsnotwendiges Vermögen dar. Lotterien-Beteiligung und Wertpapiere sollten deshalb veräußert werden. Mit dem Erlös sollten strukturelle Einsparungsmaßnahmen finanziert werden. Zum 31. Dezember 2007, also noch vor Ausbruch der Finanzkrise, hätten die Verkaufserlöse dafür laut Rechnungshof etwa 109 Mio. Euro betragen. Weiters sollte der ORF den Verkauf weiterer Anteile an der Sendetechniktochter ORS in Erwägung ziehen. Im Rechnungshofbericht wird weiters darauf hingewiesen, dass der ORF bei einem rechtzeitigen Verkauf eines Teils seiner Wertpapiere von den Kursverlusten im Jahr 2008 weniger stark betroffen gewesen wäre.

Die Prüfer haben für den ORF-Rechnungshofbericht insbesondere die Jahre 2004 bis 2007 untersucht, erste Ergebnisse waren bereits im September nach Vorlage des Rohberichts an die Öffentlichkeit gelangt, der ORF hatte damals erklärt, dass bereits ein Großteil der Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt bzw. in Umsetzung sei. Der Rechnungshof hielt im offiziellen Endbericht an den meisten Kritikpunkten und Empfehlungen fest. (APA)