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Die israelische Armee zieht sich zurück.

Foto: AP /Sebastian Scheiner

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In Gaza-Stadt gaben die Kassam-Brigaden am Montag eine Pressekonferenz. Laut Hamas-Angaben starben bei der israelischen Offensive lediglich 48 palästinensische Kämpfer, der Rest der laut palästinensischem Gesundheitsminiterium über 1200 Toten seien Zivilisten. Menschenrechtsorganisationen in Gaza sprechen hingegen von 700 getöteten Zivilisten.

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Nach der Militäroffensive, die sie als Erfolg feiert, hat Israels Regierung einen schnellen Abzug aus dem Gazastreifen angekündigt. Falls die Waffenruhe hält, wählen die Israelis wie geplant am 10. Februar ein neues Parlament.

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Während palästinensische Familien in den Norden des Gazastreifens zurückströmten, um unter den Trümmern ihrer zerstörten Häuser die Leichen von Angehörigen zu finden, fielen erschöpfte israelische Soldaten an der Grenze erleichtert ihren Eltern und Freundinnen um den Hals. Alle Betroffenen schienen darauf zu bauen, dass die am Sonntag zunächst von Israel und dann von der Hamas getrennt ausgerufene Waffenruhe zumindest in einer ersten Phase halten würde.

Sechs europäische Staats- und Regierungschefs, die zur Festigung der Waffenruhe und "als Freunde Israels" am Sonntagabend gemeinsam in Jerusalem auftraten, hörten von Premier Ehud Olmert, dass Israel "interessiert ist, den Gazastreifen mit der größtmöglichen Geschwindigkeit zu verlassen". Zur gleichen Zeit hatte Israel schon mit der "Verdünnung" der Truppen im Gazastreifen begonnen. Einer Version nach könnte der Abzug rechtzeitig zum Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obamas am Dienstag beendet sein.

Videobotschaft Haniyehs

Die Bedingungen, die die Hamas lange Zeit für eine Waffenruhe gestellt hatte, waren zwar nicht erfüllt, doch erwartungsgemäß dauerte es nicht lange, bis die Islamisten ihren "Sieg" verkündeten. "Trotz aller Wunden hat unser Volk nicht das Haupt gesenkt, sondern eine aufrechte Haltung gezeigt, an die man sich über Generationen erinnern wird" , sagte der zunächst noch immer untergetauchte Hamas-Premier Ismail Haniyeh in einer auf Video aufgezeichneten Rede im Fernsehen. "Es ist ein herausragender Sieg angesichts der politischen, militärischen und moralischen Niederlage des Feindes und angesichts seines gescheiterten Versuchs, unserem Volk und der mutigen Widerstandsbewegung Bedingungen zu diktieren."

Hamas-Sprecher Abu Obeida sagte später in Gaza-Stadt, dass nur 48 bewaffnete Kämpfer seiner Organisation als "Märtyrer" gestorben seien, während Israel 80 Soldaten verloren habe. Der Islamische Jihad (Heiliger Krieg) gab separat an, dass 34 seiner Männer getötet worden seien. Nach israelischen Schätzungen sind hingegen bei den dreiwöchigen Kämpfen bis zu 500 bewaffnete Islamisten umgekommen. Auf der israelischen Seite wurden zehn Soldaten getötet, vier davon durch Fehlschüsse der eigenen Kameraden.

Während in Südisrael die Menschen sich nach und nach wieder auf die Straße trauten und der lange unterbrochene Schulunterricht am Dienstag wieder anlaufen soll, strich die israelische Führung bei jeder Gelegenheit ihre Befriedigung über den Ausgang der Offensive hervor. "Wir sind zum ersten Mal seit vielen Jahren in den Gazastreifen hineingegangen", sagte Außenministerin Zipi Livni im israelischen Radio, "wir haben sie aus der Luft überrascht und dann auf dem Boden überrascht. Sie verstehen heute, was Israel macht, wenn es angegriffen wird, die Welt versteht das auch. Ich glaube, die Hamas wird nicht so bald wieder schießen, und wenn sie doch schießt, wird sie wieder Schläge bekommen."

Netanyahu weiter voran

Wenn die Waffenruhe hält, werden die auf 10. Februar angesetzten israelischen Parlamentswahlen, deren Verschiebung erwogen worden war, wie geplant stattfinden. Neue Umfragen zeigen, dass der Krieg an den Chancen von Livni und von Verteidigungsminister Ehud Barak letztlich nichts verändert hat. Livnis Kadima liegt wieder bei rund 26 Mandaten und Baraks Arbeiterpartei bei rund 16, während der rechtskonservative Likud von Benjamin Netanyahu mit über 30 Mandaten führt.
Unklar ist, wie das Abklingen der Krise die innerpalästinensischen Spannungen beeinflussen wird. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat am Montag erneut zur Bildung einer Einheitsregierung aufgerufen, Abbas selbst wird aber von der Hamas nicht mehr als Präsident anerkannt, weil seine vierjährige Amtszeit nach Auslegung der Islamisten am 9. Jänner abgelaufen ist.

Offen war auch noch, wie rasch die mit der Waffenruhe verknüpften neuen internationalen Arrangements perfekt gemacht werden können. Die EU-Politiker hatten auch in Jerusalem gefordert, dass die Übergänge zum Gazastreifen geöffnet werden müssten. Zugleich sei es nötig, "den Waffenschmuggel auf dem Land- und dem Seeweg zu stoppen" . UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon will offenbar am Dienstag den Gazastreifen besuchen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)