"Zunehmend Mobbing und massive Versuche, mich einzuschüchtern": Ingela Bruner.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Ob sich die gebürtige Schwedin Ingela Bruner am Freitag beim 60. Boku-Ball mit dem Motto "Südtirol" in der Hofburg in skandinavischer Tracht zeigen wird, ist ungewiss. Sicher ist, dass sie schon als "Altrektorin" kommen wird. Denn nach nicht einmal einem Jahr ist die erste Rektorin einer öffentlichen Uni schon wieder Geschichte. Am Montag teilte die Chefin der Universität für Bodenkultur (Boku) in einer Pressekonferenz ihren Wunsch an den Universitätsrat nach "einvernehmlicher Auflösung" ihres Vertrags mit.

"Wegen unüberbrückbarer unterschiedlicher Auffassungen mit dem Vorsitzenden des Senats bezüglich der Führung der Universität und der strategischen Ausrichtung der Boku", wie Bruners offizielle Begründung lautete.

"Mobbing"-Vorwürfe

Dazu erhob Bruner "Mobbing"-Vorwürfe (der Standard berichtete). Sie sei nach ihrer im April gestellten Krebsdiagnose schon im Mai zum ersten Mal mit der Aufforderung konfrontiert worden, ihr Amt doch "krankheitsbedingt" zu räumen. "Ich bin - stellvertretend für nicht genehme Entscheidungen - zunehmend Mobbing ausgesetzt, gezielt, leise, wie eine wahre ansteckende Krankheit." Zudem habe es "massive Versuche, mich einzuschüchtern" gegeben.

Die 56-Jährige hatte zwar Erfahrung im Unimanagement als ehemalige Vizepräsidentin der Donau-Uni Krems. Als promovierte Maschinenbauerin und Ex-OMV-Forschungsleiterin repräsentierte sie aber "gleich mehrere Tabubrüche", so Bruner. Und der Faktor Frau? "Nein, ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielt. Es ist die Persönlichkeit, die eine Rolle spielt."

"Führungsmängel"

Der Universitätsrat der Boku beschied Bruners Wunsch nach Vertragsauflösung mit Ja. "Es besteht kein Zweifel, das Arbeitsverhältnis wird mit Dienstagabend beendet", sagte Vorsitzender Werner Biffl am Montag. Bruner werde am Mittwoch symbolisch die Schlüssel zurückgeben. Gemeinsam mit Stellvertreter Norbert Rozsenich habe er - mit Zustimmung des gesamten Unirats - bereits Sonntagabend mit Bruner den Vertrag aufgelöst.

Am Nachmittag wurden Bruner dann per Aussendung namens des Unirats und des Senats "gravierende Führungsmängel" vorgeworfen - aber "von Mobbing keine Rede". Für den von Bruner als Hauptgrund der internen Überwerfungen genannten Senat sagte Vizevorsitzende Helga Kromp-Kolb im Standard-Gespräch, dass man von den Mobbing-Vorwürfen "extrem überrascht" gewesen sei: "Ich kann ausschließen, dass das jemand aus dem Senat oder Unirat gemacht hat." Bruner sei mit ihrem Schritt ihrer von Senat und Unirat akkordierten Abberufung zuvorgekommen. "Dabei war sie die Wunschkandidatin des Senats. Es gab große Erwartungen in sie und einen großen Vertrauensvorschuss. Aber im Laufe dieses Jahres zeigten sich gravierende Managementmängel", so Kromp-Kolb. Strategisch wichtige Entscheidungen seien nicht oder zu spät gefällt worden, Professorenstellen unbesetzt - oft seit mehreren Jahren, also nicht direkt, aber doch von Rektorin Bruner zu verantworten, so Kromp-Kolb.

"Bedauerlich" findet Hahn

Senatschef Gerd Sammer sagte, es gehe nicht um einen Konflikt zwischen Bruner und ihm, sondern um die Zukunft der Boku.

Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) nannte die Vorgänge "bedauerlich", er hoffe aber, dass Bruners Verdienste "die ,gläsernen Decken' für Frauen im Hochschulbereich durchstoßen zu haben, nachhaltige Wirkung haben". Bedauern über Bruners Rücktritt äußerten die SP-Frauen. Der VSStÖ sprach von einem "großen Rückschritt für Frauen in der Wissenschaft". Eine von Eva Blimlinger, Projektkoordinatorin für Kunst- und Forschungsförderung der Uni für Angewandte Kunst, in Umlauf gebrachte Protestmail richtet sich gegen die "Diskriminierung" und sieht das Ministerium als Aufsichtsbehörde gefordert. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Print, 20.1.200)