Wien - Nicht einmal ein Jahr lang konnte sich Ingela Bruner als erste Rektorin einer staatlichen Universität in Österreich an der Spitze der Universität für Bodenkultur halten. Der Jubel über ihre Bestellung war noch nicht verhallt, da ging Bruner in die Offensive und bat den Uni-Rat am Wochenende um einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses. Als Grund nannte die 56-Jährige "unüberbrückbare, unterschiedliche Auffassung mit dem Vorsitzenden des Senats bezüglich der Führung der Universität". Dass sie eine Frau ist, hat ihrer Meinung nach keine Rolle gespielt.

Gläserne Decke gebrochen

Dabei hat Bruner als Frau in der österreichischen Uni-Landschaft Geschichte geschrieben und mehrmals die berühmt-berüchtigten frauen-karrierefeindlichen gläsernen Decken durchstoßen: Als erste Frau in Österreich schloss sie im Fachbereich Maschinenbau ihr Doktoratstudium ab; an der Donau-Universität Krems führte sie als Vizepräsidentin als erste Frau in Österreich eine Uni, mit der anschließenden Leitung des Forschungsbereichs der OMV fand sie auch einen nicht gerade Frauen-typischen Beruf und schließlich wurde sie im Sommer 2007 zur Rektorin der Boku gewählt, ein Amt, das sie am 28. Jänner 2008 antrat. "Die Festung ist eingenommen", hatte sie damals gemeint.

Schon Bruners Weg zur Boku-Spitze war nicht friktionslos gelaufen. Der Uni-Rat lehnte den Dreiervorschlag des Senats mit Bruner an der Spitze ab. Man einigte sich schließlich doch auf Bruner, allerdings waren zwei Uni-Räte vor der Wahl zurückgetreten. Voll Enthusiasmus ging Bruner an die Arbeit, nicht einmal die Diagnose Krebs im April des Vorjahres konnte ihren Arbeitseifer einbremsen, schon damals soll ihr von mehreren Seiten nahegelegt worden sein, "krankheitsbedingt" ihr Amt zurückzulegen. Zuletzt spitzte sich die Situation an der Boku zu, anonyme Schreiben mit verschiedenen Vorwürfen machten die Runde, der Senat verstärkte seinen Druck auf Bruner, die andererseits vom Uni-Rat keine Rückendeckung erhielt. Bis zuletzt optimistisch, sah sie es bei ihrer Pressekonferenz am Montag aber noch im Bereich des Möglichen, aus dieser Situation gestärkt hervorzugehen.

Erste Doktorandin in Maschinenbau

Bruner wurde am 12. August 1952 in Kristianstad (Schweden) als Tochter eines kanadischen UNO-Beamten und einer Schwedin geboren. Kindheit und Schuljahre verbrachte sie durch den Beruf ihres Vaters in Syrien, Libanon, Frankreich, Indien und Österreich. Nach Abschluss des Lycee Francais in Wien studierte sie an der Universität von Toronto (Kanada) sowie an der Technischen Universität (TU) Wien Maschinenbau, das sie 1979 als erste Frau in Österreich im Fachbereich Maschinenbau mit dem Doktorat abschloss.

Anschließend war Bruner, die die österreichische und kanadische Staatsbürgerschaft besitzt, als Assistentin am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrwesen der TU Wien tätig und wechselte 1980 in die Privatwirtschaft. In der OMV war sie u.a. für Unternehmensplanung im Bereich Energiepolitik und als Assistentin von Vorstandsdirektor Richard Schenz tätig und für Unternehmensentwicklung und strategisches Controlling verantwortlich.

1995 wurde sie Vizepräsidentin der neu eröffneten Donau-Uni (DU) und führte nach dem Ausscheiden des damaligen Präsidenten und der zweiten Vizepräsidentin ab 1996 die DU alleine. 1999 ging Bruner zurück zur OMV, wo sie bis 2002 Leiterin des Forschungsbereichs wurde. Nach Reorganisation dieses Bereichs schied sie aus der OMV aus und ist seither als freiberufliche Expertin für Forschungsförderung und Uni-Management tätig. Zudem ist sie Vorsitzende des Salzburger Wissenschafts- und Forschungsrats, Universitätsrätin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Senatsmitglied der Christian Doppler-Gesellschaft.

2003 war sie schon einmal knapp daran, zur Rektorin der TU Wien zu werden: Der TU-Senat nominierte sie in einem Zweier-Vorschlag für diesen Posten. Bei der Wahl unterlag sie allerdings ihrem Konkurrenten, dem langjährigen Rektor Peter Skalicky.

Bruner, die verheiratet ist und eine erwachsene Tochter hat, galt immer als Verfechterin einer partizipativen Führung, die auf die Mitwirkung ihrer Mitarbeiter bei Entscheidungsprozessen Wert legt. An der Donau-Uni war sie eine Wegbereiterin der neuen Universitätsorganisation.

Sie selbst hat übrigens die oft kritisierten gläsernen Decken, die Frauen bei einer akademischen Karriere behindern, nie so wahrgenommen, sondern eher als "ein Anstehen vor der Tür empfunden". Nicht einmal ein Jahr, nachdem sie durch diese Tür gehen konnte, wurde sie nun wieder hinaus komplementiert. (APA)