Der legendäre Optimismus der Amerikaner hat eine Delle bekommen, das Land des Konsums lernt zu sparen. Barack Obama muss auch Cheerleader der Nation sein und für Aufbruchsstimmung in der Wirtschaft sorgen.

***

Washington - Der legendäre Optimismus der Neuen Welt hat eine Delle bekommen wie schon lange nicht mehr. Man merkt es schon an den Vorsätzen fürs neue Jahr. Das Marist College, nahe New York, hat ihnen wie immer eine Umfrage gewidmet und ist dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gelangt. 20 Prozent der Amerikaner wollen abnehmen, 16 Prozent mit dem Rauchen aufhören, zwölf Prozent haben sich vorgenommen, weniger Geld auszugeben. Damit landet das Sparenwollen auf dem dritten Platz der Prioritätenskala, so weit oben wie lange nicht mehr.

Willkommen in einem Amerika, das lernt, den Gürtel enger zu schnallen. Es ist ein völlig neuer Befund in einem Land, dessen erwachsene Bewohner durchschnittlich 13 Kreditkarten besitzen und in dem man bis vor kurzem Häuser ohne jedes Eigenkapital kaufte. Der neue Trend zum Maßhalten zeigt sich auch auf den Konten. Im April 2008 lag die Sparquote noch bei Null, im November legten die US-Bürger bereits 2,6Prozent ihres Geldes auf die hohe Kante.

Auch Nouriel Roubini ist kein belächelter Außenseiter mehr. Der Ökonomieprofessor an der New York University hat korrekt vorhergesagt, wie die Wirtschaft auf Talfahrt gehen würde. Er hat das Platzen der Immobilienpreisblase vorausgesehen, die Krise der Subprime-Hypotheken und schließlich die Kreditkrise. "Die Rezession dauert bis Ende 2009", sagt Roubini heute. Die Wirtschaftsleistung werde um vier bis fünf Prozent zurückgehen, die Arbeitslosigkeit auf neun Prozent klettern, der Aktienindex Dow Jones auf 7000 Punkte fallen, ehe er sich wieder erholt. "Aber dann", sagt er, "werde ich der Erste sein, der den Aufschwung ausruft".

Barack Obama bemüht Krankenhausvokabeln, um die Lage zu charakterisieren. Der Patient sei schwer krank, zunächst gehe es darum, ihn zu stabilisieren. Das sind deutlich skeptischere Töne, als man sie von dem begnadeten Rhetoriker kennt. Eigentlich passen sie nicht zu Obama. Der hatte die Wähler ja gerade deshalb für sich gewonnen, weil er geschickt an ihr Grundgefühl des Ärmel-Hochkrempelns, des fest in der nationalen Psyche verankerten Aufbruchs zu neuen Ufern appellierte.

Neue Bescheidenheit

Aber nun bestimmt etwas wie neue Bescheidenheit die Psyche. Die Mehrheit stellt sich laut New York Times darauf ein, dass die Rezession mindestens noch zwei Jahre dauert. Niemand erwartet also Wunderdinge von Barack Obama. Dennoch, Tyler Cowen, Ökonomieprofessor an der George Mason University, glaubt, dass der neue Präsident an alte rhetorische Höhenflüge anknüpfen muss. Halb Cheerleader der Nation, müsse er sein, halb eine Art Sigmund Freud. "Er wird Ruhe ausstrahlen und unsere ökonomischen Stärken herausstreichen müssen" , sagt Cowen. "Manches davon mag Wunschdenken sein, aber allein eine positive Grundhaltung kann die Realität verbessern."

Spätestens Mitte Februar will Obama sein 825 Milliarden Dollar (635 Mrd. Euro) teures Konjunkturpaket unter Dach und Fach haben. Straßen sollen gebaut, Brücken repariert, Breitbandverbindungen verbessert, Schulen renoviert werden. Vorbild ist Franklin D. Roosevelt, der Präsident des "New Deals". Es geht um massive Investitionen in die Infrastruktur, die wohl auch ohne Krise bitter nötig gewesen wären. Man kann die großen Worte vom Aufbruch auch weglassen und es nüchterner formulieren: Es geht darum, den Anschluss zum Rest der westlichen Welt nicht zu verlieren. (Frank Herrmann, Washington, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.1.1.2009)