Das starke Abschneiden der FDP bei der Hessen-Wahl schwächt CDU und SPD auch im Bund. Die Liberalen lassen prompt ihre Muskeln spielen und fordern jetzt Nachbesserungen beim Konjunkturprogramm.
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"Allerbeste Stimmung" habe im Präsidium geherrscht, berichtet FDP-Chef Guido Westerwelle am Montag. Kein Wunder: Konnten sich die Liberalen doch über ein Wahlergebnis von 16,2 Prozent und Zuwächse von 6,8 Punkten in Hessen freuen. "Die Mittelschicht ist wieder bei der FDP", frohlockt Westerwelle.
Ihn erfreut jedoch nicht nur der Blick nach Hessen. Mittlerweile werden die fünf bevölkerungsreichsten deutschen Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und bald Hessen) von einem schwarz-gelben Bündnis regiert. Die bevorstehende Regierungsbeteiligung in Hessen bringt Westerwelle nun zu Beginn des deutschen Superwahljahres 2009 einen deutlichen Machtzuwachs.
Denn Union und SPD haben durch die Hessen-Wahl ihre Mehrheit im Bundesrat verloren. Das bedeutet: Wollen sie ihre Vorhaben durch die Länderkammer bringen, müssen sie sich auch nach der FDP richten. Und diese hat bereits Änderungswünsche beim 50 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket angekündigt.
Sie will etwa eine schnellere Steuersenkung als von der Regierung in Aussicht gestellt. Der Grundfreibetrag dürfe nicht in zwei Schritten ab Mitte 2009 angehoben werden, sondern dies müsse in einem Schwung rückwirkend zum 1. Jänner 2009 geschehen. Außerdem passt der FDP die geplante "Abwrack-Prämie" für Altautos nicht. Diese sei bloß ein "Konjunkturprogramm für asiatische Autobauer", kritisieren die Liberalen.
Zwar versichert FDP-Chef Westerwelle:"Wir werden im Bundesrat sehr verantwortungsvoll mit unseren Möglichkeiten umgehen." Doch der großen Koalition missfällt der neue Einfluss der Liberalen deutlich. "Sie kann die Oppositionsrolle nicht mehr so spielen wie bisher" , warnt Angela Merkel. Die CDU-Chefin und Kanzlerin mahnt außerdem, die FDP dürfe ihre neue Position "nicht überreizen" , dies würde bei der Bevölkerung "nicht gut ankommen".
Andererseits ist die CDU der FDP natürlich dankbar. Denn die Hessen-CDU unter ihrem Spitzenkandidaten Roland Koch konnte nur 0,4 Punkte zulegen. Dass es nun nach einem Jahr der Unsicherheit zu einer stabilen schwarz-gelben Mehrheit im hessischen Landtag kommt, verdankt die CDU der FDP. "Der Spuk ist vorüber" , freut sich Ministerpräsident Koch, räumt aber ein: "Ich will nicht verhehlen, dass ich zwei Prozent mehr für die CDU toll gefunden hätte." Der CDU gelang es nicht, jene (bürgerlichen) Wähler wieder zurückzuholen, die sie 2008 nach Kochs Anti-Ausländer-Kampagne verloren hatte.
Und so mancher in der Union erinnert sich mit Beklemmung an den Abend der Bundestagswahl 2005. Damals hatte Merkel ja auch ihre schwarz-gelbe Lieblingskoalition angestrebt. Doch während die FDP ein ordentliches Ergebnis einfuhr, fiel die Zustimmung zur Union nicht hoch genug aus. Am Schluss reichte es nur für die ungeliebte große Koalition mit der SPD. Schon ruft Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) dazu auf, "Profil und Regierungsprogramm so aufzustellen, dass keiner, der uns wählen will, FDP wählt" .
Beifall für Ypsilanti-Rücktritt
Noch mehr Frust über das Erstarken der FDP herrscht bei den Sozialdemokraten, die am Sonntag in Hessen eine historische Wahlniederlage erlitten. "Da gibt es nichts zu beschönigen" , sagt SPD-Chef Franz Müntefering. Er bemüht sich jedoch, das Debakel als hessisches Spezifikum abzutun, das dem Wortbruch von Andrea Ypsilanti geschuldet ist.
Ypsilanti ist ohnehin schon Geschichte. Noch am Wahlabend trat sie als Fraktions- und Landeschefin zurück, und da brandete im Berliner Willy-Brandt-Haus bei den Genossen spontaner Applaus auf. Ypsilantis designierter Nachfolger, Thorsten Schäfer-Gümbel, will nun die tiefen Gräben in der hessischen SPD wieder überwinden.
Die Stimmung der Sozialdemokraten trübt auch, dass sich durch die Hessen-Wahl die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung noch einmal verschieben. Dieses Gremium aus Vertretern des Bundestags und der Landtage wählt im Mai den Bundespräsidenten, und nun sind Amtsinhaber Horst Köhler noch ein paar schwarz-gelbe Stimmen mehr sicher, als er für eine zweite Amtszeit benötigt. Seine von der SPDaufgestellte Herausforderin Gesine Schwan will jedoch nicht aufgeben und zur Wahl antreten. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)