Es herrscht Konsens, dass Amerikas Rezession lang und tief sein wird. Ich habe die Vorstellung, dass das, was in Amerika passiert ist, vom Rest der Welt abgekoppelt wäre, immer für einen Mythos gehalten. Die Ereignisse belegen diese Einschätzung.

Glücklicherweise hat Amerika endlich einen Präsidenten, der das Problem versteht und sich zu einem kräftigen Konjunkturprogramm verpflichtet hat. Zusammen mit den Maßnahmen anderer Regierungen bedeutet dies, dass der Abschwung weniger stark wird, als er es sonst wäre. Die US-Notenbank Fed, die durch exzessive Liquidität und lasche Regulierung zur Entstehung der Probleme beigetragen hat, versucht dies wiedergutzumachen, indem sie die Wirtschaft mit Liquidität überschwemmt. Es überrascht nicht, dass diejenigen, die das Desaster nicht kommen sahen, bei seiner Bewältigung keine Meisterleistung erbracht haben.

In gewisser Weise ähnelt die Fed einem betrunkenen Fahrer, der bemerkt, dass er von der Straße abkommt und zu schleudern beginnt. Die Antwort auf den Mangel an Liquidität ist mehr Liquidität. Wenn die Wirtschaft sich erholt und Banken anfangen, Kredite zu vergeben, werden sie dann in der Lage sein, die Liquidität reibungslos abzuzapfen? Steht den USA Inflation bevor? Oder wird die Fed überreagieren und den Aufschwung im Keim ersticken? Angesichts der bislang unbeständigen Führung können wir nicht viel Vertrauen haben. Dennoch bin ich nicht sicher, ob einige der Probleme genug Beachtung erhalten, ohne diese ist es unwahrscheinlich, dass die globale Rezession Wachstum weicht.

Die USA haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, die globale Wirtschaft am Laufen zu halten. Amerikas Verschwendungssucht wurde kritisiert. Doch vielleicht sollte die Welt dankbar sein, denn ohne sie wäre die globale Nachfrage nicht ausreichend gewesen. Früher füllten Entwicklungsländer diese Rolle, indem sie Handels- und Haushaltsdefizite produzierten. Sie bezahlten einen hohen Preis. Jetzt sind Finanzverantwortung und konservative Geldpolitik in Mode. Tatsächlich akkumulierten viele Entwicklungsländer in der Angst, ihre wirtschaftliche Souveränität an den IWF zu verlieren, Reserven in Höhe von hunderten Mrd. Dollar. Zudem bedeutet die Ungleichheit, dass Geld von denen, die es ausgeben würden, an jene übergegangen ist, die so wohlhabend sind, dass sie es nicht vollständig ausgeben können.

Der Hunger nach Öl hat einen dritten Faktor beigesteuert. Die steigenden Ölpreise haben Geld an ölreiche Länder fließen lassen, was zur Liquiditätsschwemme beitrug. Obwohl die Ölpreise nun gebremst wurden, könnte eine stabile Erholung sie wieder nach oben treiben. Eine Zeitlang sprach man fast beifällig von Liquiditätsschwemme. Doch war diese nur die Kehrseite dessen, worüber Keynes sich sorgte: eine ungenügende globale Gesamtnachfrage. Das Gewinnstreben trug zu der rücksichtslosen Verschuldung und Risikobereitschaft bei, die dieser Krise zugrunde lagen.

Eine Zeitlang wird die US-Regierung die Aufstockung der Ersparnisse der Verbraucher teilweise ausgleichen. Doch wenn Konsumenten ihr Erspartes auf vier, fünf Prozent des BIP steigern, wird der schwächende Effekt auf die Nachfrage selbst durch größte staatliche Ausgaben nicht ausgeglichen. 2011 werden Regierungen Überschüsse erwirtschaften müssen.

Erstens müssen wir den Trend der wachsenden Ungleichheit umkehren. Progressivere Einkommensbesteuerung hilft, die Wirtschaft zu stabilisieren. Es wäre hilfreich, wenn hochentwickelte Länder ihren Verpflichtungen nachkämen und den Ärmsten der Welt helfen würden, indem sie ihre Entwicklungshilfeetats auf 0,7 Prozent des BIP anheben würden. Zweitens braucht die Welt gewaltige Investitionen, wenn sie auf die Herausforderungen der Erderwärmung reagieren soll. Drittens ist ein globales Währungsreservesystem nötig. Es ist für arme Länder wenig sinnvoll, den reichsten zu geringen Zinssätzen Geld zu leihen. Das Dollar-Reservesystem zeigt Abnutzungserscheinungen, doch wird es mit einem Dollar-Euro- oder Dollar-Euro-Yen-System ersetzt, das noch instabiler ist. Dieses Jahr wird trostlos. Die Frage ist: Wie können wir eine stabile Erholung erreichen? (Joseph E. Stiglitz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.1.1.2009)