Theaterautor Joshua Sobol.

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Wien - Seit nunmehr vierzig Jahren beschreibt und motiviert der Theaterautor Joshua Sobol das politische Verständnis und gesellschaftliche Verhältnisse in Israel. Als Theaterleiter in Haifa schrieb und inszenierte er bereits in den Achtzigerjahren mit Juden und Arabern. Und während vielen seiner politisch heiklen, provokanten Stücke in Israel die Aufführung versagt war, wurde er im deutschen Sprachraum zuerst mit Ghetto, einem Text über die Kollaboration von Juden und Nationalsozialisten, später vor allem in Wien mit seinem Alma-Mahler-Stück Alma berühmt.

Hier ist Sobol (69) ein häufig gesehener und häufig gespielter Gast, hier erlebt er nun auch den Waffenstillstand und den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen. "Ich hoffe sehr, dass die Konsequenz dieses Krieges ist, dass die Menschen keinen Krieg mehr wollen - denn ein nächster würde weitaus blutiger sein. Man versteht mittlerweile, was es bedeutet, einen Krieg mit modernen Waffen zu erleben."

Die Schuld der Eltern

In Tel Aviv, erzählt Sobol, der erst am Wochenende von dort abgereist ist, sei der Krieg "weit entfernt" gewesen. Die Stimmung unter den Menschen sei eindeutig: Man sei natürlich tief betroffen vom Leid der Bevölkerung, insbesondere von dem der Kinder, aber "diese Katastrophe haben die älteren Brüder oder die Eltern, die in der Hamas aktiv waren, über ihre Familien gebracht." Die israelische Bevölkerung beurteile den Krieg als unvermeidbar. "Es war offensichtlich, dass dieser Krieg stattfinden würde. Ich meine allerdings, dass er schon vor drei oder vier Jahren hätte stattfinden sollen. Jetzt war es schon zu spät."

Dass Israel so rasch auf die "Bank der Beschuldigten gedrängt wurde", sei nicht zuletzt die Schuld der internationalen medialen Berichterstattung. Dies erinnert Sobol an den Sechstagekrieg. Die Medien würden sich mit dem Underdog solidarisieren und nur zeigen, was im Augenblick vor sich gehe. "Man müsste auch einmal über die Kinder sprechen, die in Israel unter ständigem Raketenbeschuss der Hamas aufgewachsen sind."

Trotz der derzeitigen Waffenruhe ist Sobol nicht sehr optimistisch gestimmt: Der Kurs der Hamas führe zu Krieg. "In ihrem offiziellen Programm nennt die Hamas die Vernichtung des Staates Israel als ihr letztes Ziel. In Europa liest dieses Programm keiner - ich begreife nicht, weshalb das hier nicht zur Allgemeinbildung gehört!" Das Programm sei in sehr "feurigem Stil" verfasst, sagt Sobol. Darin sei die Rede von einem letzten fliehenden Juden, der von einem Baum, hinter dem er sich verstecken wollte, an seine Verfolger verraten werde. "Alles muss sich jetzt ändern, wenn wir weiter hier leben wollen." Sobol wünscht sich auch ein stärkeres Eingreifen der EU. "Wir werden viel Geld brauchen, um den Gazastreifen wieder aufzubauen - das wäre eine gute Gelegenheit, einzugreifen und zu regulieren."

Doch nach Wien kam er diesmal nicht als politischer Botschafter, sondern als Gast des Theaters Drachengasse, das derzeit sein Stück Libera Me zeigt. Ein sehr persönliches Stück über einen Sohn, der das Sterben seines Vaters nicht akzeptieren will, zu dem Sobol nicht nur seine eigene Familiengeschichte inspiriert hatte, sondern auch ein Generationenkonflikt in Israel. "Als die Gründerväter des Landes von der Bühne verschwanden, fühlte sich die Bevölkerung wie Waisen verlassen." Ihre historische Vision und ihr Verständnis, sagt Sobol, hatten die Gründer an die nachfolgende Generation nicht weitergeben können.

In Libera Me verhandelt Sobol das Festhalten der Jungen an den Alten. Die Figur des alten Vaters sieht in ihrem Leben keinen Sinn mehr, will es daher beenden, der Sohn will ihn aber nicht gehen lassen. In Israel seien die Söhne zwar auch große Instanzen geworden, die meisten als Generäle in der Armee, "aber sie hatten keine Vision mehr - sie sind Techniker." (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 21.01.2009)