"Es hat mich hinausgezogen in die Ferne", sagt Hans Hass. So hielt es ihn nicht lange an der Alten Donau, wo er seine ersten Tauchversuche unternahm. Heute kehrt er gern zurück.

F.: Heribert Corn

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Das Taucher-Dreamteam Lotte und Hans Hass.

Foto: APA/Hans Hass

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Der "Herr der Haie" war der erste Mensch, der sich schwerelos und freitauchend im Meer bewegte - und mitfilmte.

F.: APA/Filmarchiv Austria

"Ich fühl mich blendend", sagt Hans Hass, als er wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag am 23. Jänner ins Taxi steigt, um an die Alte Donau in Wien zu fahren - als ob er sich rechtfertigen müsste dafür, in diesem Alter noch durch die Straßen im ersten Bezirk zu schlendern, wohin er und seine Frau Lotte vor zwei Jahren wieder zurückgekehrt sind, nachdem sie über 40 Jahre hauptsächlich in Liechtenstein verbracht hatten. Blendend wirkt er tatsächlich: Der Bart nur mit ein paar grauen Strähnen meliert, den Schalk in den wasserblauen Augen sitzend, bewegt er sich genauso bedächtig und zugleich bestimmt, wie er spricht.

Normalerweise fährt er mit der U-Bahn an die Alte Donau, um in einem der kleinen Beiseln am Wasser zu sitzen. Viel habe sich nicht verändert, seit er dort als Bub geplantscht und im Waschtrog erste Erkundungsfahrten gemacht hat, meint er. An dem Seitenarm der Donau, wo seine Eltern ein Wochenendhaus gemietet hatten, machte der spätere "Herr der Haie" seinen ersten spektakulären Tauchgang: Unter den staunenden Blicken einer Menge Schaulustiger stülpte er sich im Frühjahr 1938 eine eigens angefertigte Metallkugel, 20 Kilo schwer und mit Glasfenstern versehen, über den Kopf, überließ den daran befestigten Schlauch seinen Freunden, die ihn per Handpumpe mit Luft versorgten - und marschierte ins Wasser. Bis er den Grund durchquert und das andere Ufer erreicht hatte.

1937 hatte er an der französischen Riviera zum ersten Mal einen mit Speer ausgerüsteten Taucher beobachtet und war sofort dem neuartigen Sport verfallen. Zurück in Wien, verbrachte er mehr als zwei Stunden in der Badewanne, die er mit einer Salzlösung füllte, die der Konzentration des Roten Meeres entsprach - um sich auf die Verwandlung in ein "fischartiges Wesen" vorzubereiten.
Im Schwimmbad sorgte er für Aufsehen, als er aus Frankreich bestellte Flossen ausprobierte. Von einem Schlosser ließ er sich eine Hülle für eine Unterwasserkamera schmieden, die er an der dalmatischen Küste testete. "Ich wollte dokumentieren, was ich unter Wasser gesehen habe, weil mir kein Mensch geglaubt hat", beschreibt der Tauchpionier seine Anfänge als Fotograf und Filmemacher.

"Es hat mich hinausgezogen in die Ferne", erzählt Hass, der sich als Getriebener bezeichnet, der immer nur auf die Zukunft ausgerichtet war. "Ich wollte alle Teile der Welt kennenlernen." 1939 zog es ihn in die Karibik, wo er auf den Inseln Bonaire und Curaçao im Auftrag des Naturhistorischen Museums Korallen und Fische sammeln sollte. Dass das Gesuch auf eine Einreisegenehmigung abgelehnt wurde, ignorierte er - und schaffte es, vor Ort die Behörden von der Wichtigkeit seiner ersten Forschungsreise zu überzeugen. Wegen des Kriegsausbruchs wurden aus geplanten zwei Monaten Aufenthalt acht, in denen Hass mehr Zeit unter als über Wasser verbrachte, hunderte Fotos schoss - darunter das erste von einem Hai - und mit einer 16-Millimeter-Schmalfilmkamera den weltweit ersten Unterwasserfilm drehte.

Getriebener und Draufgänger

"Ich war immer interessiert an allem Ungewöhnlichen und Neuen", erklärt Hass seinen Antrieb, stets Dinge zu tun, die andere noch nicht gewagt hatten oder schlicht für verrückt hielten. Allen Warnungen zum Trotz tauchte er in für Haie berüchtigten Gewässern, ausgerüstet mit dem ersten tragbaren Sauerstoffgerät, das er 1941 - zwei Jahre vor Jacques-Yves Cousteaus Erfindung des Pressluftgeräts - entwickelte. Mit diesem Sack am Rücken, in dem sich der zirkulierende Sauerstoff selbst reinigte und somit keine Luftblasen ausstieß, war Hass der erste Mensch, der sich freitauchend und schwerelos im Meer bewegte. Später entwickelte er für Semperit die Hans-Hass-Flosse und erfand die Rolleimarin, lange die Unterwasserkamera schlechthin.

Während des Krieges studierte der Sohn eines Rechtsanwalts Zoologie, schrieb Bücher, stellte den ersten "Kulturfilm" fertig - das dokumentarische Material wurde mit einer seichten Handlung ergänzt - und tingelte mit Vorträgen durch Deutschland. "Mein Gott, Politik interessierte mich wirklich nicht", reagiert Hass eher ausweichend auf die Frage, wie er die Zeit des Nationalsozialismus erlebte. "Ich war sehr traurig über diesen Krieg und hoffte, dass er bald zu Ende ist und ich wieder tauchen gehen kann."

Im Jahr 1950 heiratete Hass seine Assistentin Lotte Bayerl und gelangte endlich ans Rote Meer, wo er sich als Erster in die Korallenriffe begab und Haie, Mantas und das Wrack Umbria inspizierte. Der daraus entstandene Film "Abenteuer im Roten Meer" wurde bei den Filmfestspielen von Venedig 1951 ausgezeichnet, und Lotte wurde nicht nur zur Paradetaucherin, sondern auch zum Modell im Meer - was Hass Zweifel an seinen wissenschaftlichen Ambitionen und seiner Reise den Beinamen "Pin-up-Expedition" einbrachte.

Das nahm Hass gern in Kauf - schließlich waren die Filme die einzige Möglichkeit, das Forschungsschiff Xarifa zu finanzieren, das ihn und eine Mannschaft aus Naturwissenschaftern (darunter der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt) auf die Galapagos-inseln und die Malediven brachte. Und nicht zuletzt hat ihm das Filmemachen auch "sehr viel Spaß gemacht", wie der noch immer charismatische Draufgänger einräumt. 1959 wurde die Arbeit mit einem Oscar für den Film "Unternehmen Xarifa" belohnt.

Zweites Leben an Land

"Es war ein wunderschönes Schiff, ein schneeweißer Dreimastschoner" , schwärmt Hass, der zuletzt 2007 im Roten Meer tauchte. Nach dem Verkauf der Xarifa 1960 widmete sich Hass dem Umweltschutz und der Erforschung des menschlichen Verhaltens. Obwohl seine Theorien zu Energieformen, Wirtschaft und Staatslehre nur wenig Anklang fanden, schreibt er in seinem randvoll mit Büchern und Filmen gefüllten Innenstadtbüro wieder an einem "abschließenden Buch", in dem er ein "Nullwachstum" der Menschheit angesichts ihrer Überlegenheit gegenüber Tieren und Pflanzen propagiert.

"Auch wenn Hass nach seiner Dissertation keine wissenschaftliche Arbeit mehr schrieb, so hat er sich doch unglaubliche Verdienste für die Popularisierung des Meeres erworben", sagt der Meeresbiologe Jörg Ott. "Er hat vielen Leuten die Angst vor dem Meer genommen und ihnen seine Schönheit gezeigt. Und nicht zuletzt war er ein Ermöglicher von Wissenschaft."

Die Neugier und Lebensfreude hat sich Hans Hass auch im hohen Alter erhalten. "Ich halte diese Welt für hochinteressant und habe noch viele Pläne. Je länger ich also lebe, desto besser." (Karin Krichmayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. Jänner 2009)