Die Iraker sind mit sich selbst beschäftigt. Überall in Bagdad hängen Wahlplakate, eine Veranstaltung jagt die andere. Die Fernsehkanäle schalten unzählige Werbespots, die Zeitungen drucken ganzseitige Anzeigen. Am letzten Tag im Jänner sind Regionalwahlen. Zum ersten Mal nach dem Sturz Saddams werden in 14 der 18 Provinzen des Landes Volksvertretungen gewählt.
Entsprechend überrascht sind die Besucher des Marktes im Bagdader Stadtteil Mansour: "Obama, ist das heute?" Das sei doch ohnehin nur Make-up, winkt der Eierverkäufer ab. Er erwarte nicht, dass sich da viel ändert. Sein Standnachbar verkauft das irakische "Geema" , eingedickten Rahm, den man auf das noch warme Fladenbrot streicht und mit Honig beträufelt. Auch er glaubt nicht, dass sich die Haltung Obamas gegenüber dem Irak wesentlich ändern wird. "Vielleicht zieht er die Truppen schneller ab?"
Das wünschen sich auch die drei Frauen, die bei Abu Aije einkaufen. Sie können sich aber nicht vorstellen, dass dies innerhalb von 16 Monaten geschieht, wie Obama im Wahlkampf versprochen hat. Trotzdem erhofft sich Suad eine Verbesserung der Lage im Irak mit dem neuen US-Präsidenten. "Schlimmer kann es ja nicht mehr werden, nur noch besser." Vor allem die Frauen hätten unglaublich gelitten in den letzten fünf Jahren.
Die Zurückhaltung der Menschen auf der Straße gegenüber dem neuen starken Mann in Washington spiegeln auch die Medien wider. Nur eine Tageszeitung setzte sich am Dienstag intensiver mit der Amtsübernahme Obamas auseinander. Im US-finanzierten Fernsehsender "Al Hurra" sagte der unabhängige schiitische Abgeordnete Mithal Alousi: "Wir brauchen uns nicht zu belügen. Die Amerikaner bleiben mindestens zehn, wenn nicht gar 20 Jahre." (Birgit Svensson aus Bagdad/DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2009)