Graz/Wien - Am Dienstagvormittag war es am Oberlandesgericht in Graz wieder so weit: Christian Wabl, seines Zeichens Erwachsenenbildner und einem breiten Publikum eher als der "Feinstaubkläger von Graz" ein Begriff, stand wieder vor dem Richter. Seit 2005 führt Wabl einen langwierigen Prozess gegen die Republik Österreich. Wabl will, dass Österreich einerseits sein eigenes Luftreinhaltegesetz, andererseits die von der EU festgelegten Grenzwerte für Feinstaub einhält.

Die Berufungsverhandlung am Dienstag war die erste seit dem bei Umweltschützern aufsehenerregenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Sommer 2008, wonach jeder einzelne Bürger sein Recht auf saubere Luft bei der verantwortlichen Behörde bzw. dem Gericht erwirken könne. Doch in Graz dauerte es nur acht Minuten, bis der Richter Wabl, der für sein Engagement um die Grazer Luft bereits öffentlich vom Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) gelobt wurde, erneut abwies.

Wabl schlug einen "Vergleich" vor: Sollte es auch 2011 Grenzwertüberschreitungen in Graz geben, solle die Republik den Grazern eine Woche Öffis zahlen. Einer der Richter lachte nur kurz auf: "Das wird verfassungsrechtliche Probleme geben."

Tatsächlich ist die österreichische Verfassung - wenn auch nicht im Hinblick auf eine temporäre Finanzierung der Grazer Verkehrsbetriebe - das Problem, glauben Experten. Der Wiener Professor für Zivilrecht, Georg Wilhelm, erklärt im Standard-Gespräch das Problem hinter dem Wabl-Prozess: "Die Richter sind hilflos, denn in der Verfassung gibt es hier eine Lücke, weil das Neuland ist."

Konkret gebe es "in der österreichischen Verfassung keinen Anspruch des Bürgers auf die Erlassung einer Verordnung". Dabei stellt Wilhelm klar fest: "Das Gemeinschaftsrecht" (also das EuGH-Urteil)" sei stärker als das österreichische Verfassungsrecht. Letzteres müsse ergänzt werden, damit "der Bürger eine Behörde als Anlaufstelle hat". Wilhelm weiter: "Das Umweltministerium drückt sich, dabei ist eine solche Gesetzesänderung nicht aufwändig." Er könne sich sogar vorstellen, dass die Causa Wabl diesbezüglich zum Anlassfall werden könnte. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Jänner 2009)