Plakat in "Tüwis Hofladen", einem studentisch verwalteten Bioladen an der Boku, der von Bruners Seite klare Unterstützung erfahren hat.

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Wien - Universitätsthemen schaffen es so gut wie nie in Boulevard-Magazine. Montagabend aber wurde im ORF in "Thema" Uni-Politik zum Thema: Ingela Bruner, die Rektorin der Universität für Bodenkultur (Boku), die am Vormittag ihr Rücktrittsangebot verkündet hatte, nutzte das Format, um sich gegen die Kritik von Senat und Uni-Rat noch einmal zu verteidigen.

Deren Vorwurf "gravierender Führungsmängel" konterte sie mit der Aussage, dass sie ein von ihrem Vorgänger übernommenes Defizit in ein ebenso großes Plus umgedreht habe - "und das ist ziemlich phänomenal für eine Universität".

"Mobbing" wegen Krebserkrankung

Am Vormittag hatte Bruner ihre Bitte um Vertragsauflösung nicht nur mit "unüberbrückbaren unterschiedlichen Auffassungen" , sondern auch mit "Mobbing" mittels ihrer Krebserkrankung begründet. Der TV-Auftritt wurde von den übrigen Beteiligten an der Boku nicht unbedingt goutiert, wie überhaupt der ganze Wirbel um das Rektorat von den Uni-Angehörigen kritisch beobachtet wird, weil sie Schaden für die Uni befürchten.

Am Nachmittag übergab Bruner bei einer Sitzung des Uni-Rats die Schlüssel. Uni-Rats-Vorsitzender Werner Biffl kritisierte im Gespräch mit dem Standard Bruners Plus-statt-Defizit-Rechnung im TV. Er warte seit Mai 2008 auf eine Budget- und Finanzplanung.

Pro...

Der frühere grüne ÖH-Chef der Boku (2006 bis 2007), Ilja Messner (Gras), beurteilt Bruners Rektorinnen-Performance "aus zwei Gesichtspunkten: Aus studentischer Sicht machte sie Dinge, mit denen wir sehr zufrieden waren, etwa den Ausbau der Türkenschanze", dem Boku-Hauptstandort. "Außerdem hat Rektorin Bruner studentische Freiräume gestützt." Als Beispiele dafür nennt Messner den "Türkenwirt" , ein von Boku-Studierenden selbstverwaltetes Beisl, und "Tüwis Hofladen" , für den die Studierenden im März 2008 den Nachhaltigkeitspreis des Wissenschafts- und Umweltministeriums zugesprochen bekamen. Diese Aktivitäten seien von Bruner mit großer Sympathie und Unterstützung "klar gestärkt" worden, führt der grüne ÖH-Vertreter auf der Plus-Seite aus.

...und Kontra

Auf der Minus-Seite lastet er der Ex-Rektorin "Entscheidungen an, die zu berechtigter Kritik geführt haben" . Zum Beispiel habe Bruner nicht alle Vereinbarungen mit dem Senat eingehalten, versprochene Arbeitsgruppen nicht eingesetzt oder auch allein Entscheidungen gefällt. Das Machtdreieck Rektorat-Uni-Rat-Senat halten auch die grünen Studierenden für ein Problem. Senatsvorsitzender Gerd Sammer, von Bruner als Hauptrücktrittsgrund genannt, tut das nicht.

Fachliche Entscheidungen ohne Grund abgelehnt

Senat und Uni-Rat seien in der Frage Bruner völlig eins gewesen, sagte er zum Standard. Er nennt als Beispiel für den Abberufungswunsch der beiden Gremien, dass die Rektorin "zum Teil fachliche Entscheidungen ohne Grund abgelehnt hat" . So habe sie eine sehr positiv evaluierte befristete Professur ohne Begründung nicht verlängert. "Sie kümmert sich um jedes Detail und dann fallen Entscheidungen nicht fristgerecht."

Wieder und wieder diskutiert

Aus Bruners Warte stellte sich die Situation so dar: Der Senat habe viele ihrer Entscheidungen so lange wieder und wieder diskutieren und Partikularinteressen deponieren wollen, bis die Prozesse "nicht mehr steuerbar" waren. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2009)