Wien - Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat auf der angeblichen Droh-Liste des russischen Geheimdienstes im Internet auf Nummer 499 den Namen des in Wien ermordeten Tschetschenen Umar I. gefunden. Weitere Überprüfungen sollen klären, ob noch weitere in Österreich aufhältige Flüchtlinge dort angeführt seien und Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen, sagte Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia am Mittwoch.

Liste mit Todes- und Entführungskandidaten

Laut den bisherigen Einschätzungen dürfte es sich bei der Aufzählung auf der Rebellenwebseite "Chechenpress" um ein Propagandamittel der tschetschenischen Exilregierung gegen den pro-russischen Präsidenten Ramsan Kadyrow handeln, so Gollia. Weiters soll es sich bei der Liste, die seit Februar 2008 online ist, nicht um jene handeln, die im Sommer 2008 bei Einvernahmen von einem Asylwerber erwähnt wurde. Der Mann bezeichnete sich damals als Geheimagent mit Mordauftrag gegen Umar I. und erzählte den Ermittlern von einer Liste mit 300 Todes- und Entführungskandidaten in der Kanzlei Kadyrows.

Internetliste mit 2.500 Namen

Auf der Veröffentlichung im Internet befinden sich mehr als 2.500 Namen. Auch aus diesem Grund geht das BVT nach ersten Analysen nicht von einer Übereinstimmung der beiden Listen aus. "Verschiedene Angaben stimmen nicht überein, aber mit hundertprozentiger Sicherheit können wir es nicht sagen", so Gollia. Ob Familienmitglieder von Umar I., der als Helfer der Mörder festgenommene Mann oder der einvernommene Asylwerber vom Sommer 2008 auf der Liste stünden, könne man noch nicht sagen. Insgesamt befinden sich vier Personen mit dem Nachnamen I. auf der Homepage.

Welche Rolle, die Internet-Liste bei der Ermordung gespielt haben könnte, ist ebenfalls unklar. "Es wird in alle Richtungen ermittelt", betonte der Sprecher. Über die Mörder und ihre Motive könne man bisher nur Vermutungen anstellen. Bei den Ermittlungen gibt es laut Staatsanwaltschafts-Sprecher Gerhard Jarosch bisher keine neuen Ergebnisse.

Das Mordopfer Umar I. wurde 2007 in Hohenau wegen des Verdachts auf Schlepperei angezeigt, das Verfahren wurde jedoch eingestellt, bestätigte die Staatsanwaltschaft Korneuburg einen entsprechenden "News"-Bericht. Nach der Anzeige der Grenzpolizei am 1. Oktober 2007 wurde das Verfahren am 14. März 2008 beendet. Das Magazin berichtete weiters von "ausgezeichneten" Kontakten des russischen Nachrichtendienstes zu österreichischen Sicherheitsbehörden und einer Beschäftigung eines Geheimdienstlers im BVT im Jahr 2004.

Fekter: Polizeischutz wurde von Familie abgelehnt

Offiziell unkommentiert blieben im Büro von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) nicht kongruente Darstellungen zum Thema Schutzmaßnahmen für den Ermordeten. Von Staatsanwaltschaft (StA) sowie vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) hieß es bisher, dass Schutzmaßnahmen zwar mehrmals angefragt, jedoch nicht als notwendig bzw. möglich erachtet worden waren. Fekter hatte am Dienstag gesagt, nach ihrem Wissen hätte die Familie "dezidierten Polizeischutz abgelehnt". Aus dem Büro hieß es am Mittwoch lediglich, man überprüfe alle Hinweise. Von Widersprüchen in der Darstellung wollte man nichts wissen.

Die russische Botschaft in Wien wollte zu dem umstrittenen Mordfall an Umar I. und der Droh-Liste keine Stellungnahme abgeben.(APA)