Georg Gartlgruber und Elmar Schmid

Fotos: Carat/Aegis

STANDARD: Beginnen wir doch mit dem Werbewort dieser Wochen, der Krise ...

Schmid: Wir sehen von der Krise wenig, die ist in Österreich noch nicht ganz angekommen. Die Buchungen sind einigermaßen stabil zum Vorjahr, von den Medien hören wir ähnliches.

STANDARD: Von allen Medien?

Schmid: Print dürfte eher ein bisschen leiden. Da ist mit Bereinigungen im Markt zu rechnen, die sowieso fällig gewesen wären. Österreich ist im einen oder anderen Segment sicher überbesetzt. Wenn es in einem Segment nicht so richtig funktioniert hat, hat man noch eine zusätzliche Zeitschrift gestartet. Da bleiben irgendwann weniger übrigen, als man in den Markt eingeführt hat. Das wird man wahrscheinlich sehen.

STANDARD: Die übrigen Medien?

Schmid:
Außenwerbung wird nicht sonderlich leiden, Radio als Abverkaufsmedium eher profitieren. Im Fernsehen gibt es zwei Lager, die Privaten und den ORF. Wenn der ORF eine vernünftige Preispolitik macht, hat er durchaus gute Chancen, Geld zu verdienen. Wenn sie sich stur stellen, dann nicht. Die Privaten werden ihr Geld verdienen. Es wird keiner wirklich abgestraft.

STANDARD: Das heißt, die Krise gibt es aus Ihrer Sicht nicht?

Gartlgruber: Wenn wir uns im Juli die Wirtschaftsprognosen aus dem Jänner für 2009 ansehen, werden wir uns ähnlich wundern, wie über unsere Prognosen aus Juli 2008.

Schmid: Weil jeder glaubt, dass eine Krise kommt, haben die Aktien aller börsennotierten Mediaagenturen bis zu 50 Prozent ihres Wertes verloren. Die Kunden haben kein Geld, also haben die Mediaagenturen kein Geld. Nur:Wir sehen‘s im Moment noch nicht. Vielleicht ist es in einem halben Jahr Realität. Aber es ist mehr Psychologie im Markt, als faktisch zu begründen wäre.

STANDARD: Seit Jahren hören wir, dass das Internet Print killt oder auch das Fernsehen.

Gartlgruber:
Seit einigen Jahren hören wir von der Revolution im Onlinebereich. In dieser Wartezeit haben viele die langsame Evolution dort übersehen. Online wird weiterhin wachsen. Aber der Knackpunkt, auf den alle warten, wird nicht kommen.

Schmid: Das Wachstum zeigt sich schon an unserer Onlineunit Isobar, die inzwischen 15 Prozent unserer Mitarbeiter beschäftigt. Die Spendings wachsen 15, 20 Prozent pro Jahr, und das ist im europäischen Schnitt relativ niedrig. Der Anteil von Onlinewerbung ist außerdem in Österreich noch äußerst unterentwickelt: In Großbritannien liegen sie - unterschiedlich gemessen - bei zirka 15 Prozent, Deutschland ist bei sechs oder sieben und Österreich bei zwei bis drei. Da ist ist sowieso noch Luft. Und es gibt immer mehr Felder in dem Bereich, intensiv derzeit Suchmaschinenmarketing.

STANDARD: Geht das auf Kosten anderer Medien?

Schmid:
Jein. Ich sehe keinen signifikanten Rückgang der Fernsehnutzung oder der Lesedauer. Die Leute arbeiten tendenziell weniger, also haben sie mehr Zeit, Medien zu nutzen. Aber wer Amazon hat, braucht keinen Katalog mehr.

STANDARD: Bisher dominiert mit dem ORF ein Player elektronische Medien in Österreich, der gerade in eine eigene Krise gerutscht ist. Wie kann man sich den TV-Markt hier in drei, vier, fünf Jahren vorstellen?

Gartlgruber: Ich würde mir einen Fernsehmarkt mit gleichberechtigten Playern wünschen. Das bedeutet, dass sich die Preise an der Leistung bemessen und nicht an der jeweiligen Erbschaft. Die Werbefenster tragen noch immer mit, dass sie sehr günstig in den Markt eingestiegen sind. Und der ORF trägt sein Hochpreispäckchen aus Monopolzeiten.

STANDARD: ATV kommt in ihrer Antwort nicht vor.

Gartlgruber:
Ich habe ATV zu den Privaten gezählt. ATV hat sich durch seine Preisgestaltung in eine Pattsituation manövriert.

Schmid: Es gibt keinen generischen Grund mehr, ATV zu buchen. Die Reichweitenvorteile haben die übrigen Privaten über Digitalsatellit aufgeholt. Die Preise sind in der Mitte zwischen ORF und Werbefenstern. Wenn ich Medialeistung woanders günstiger kaufen kann, dann tu ich es halt dort.

STANDARD: Brauchen Werber den ORF noch?

Schmid: Wenn das Programm des ORF nicht dramatisch attraktiver wird, dann wird er den Weg aller staatlichen Sender in Europa gehen und auf eine kleinere, normalere Größe einstellen müssen, 30 Prozent etwa. Aber keiner will, dass der ORF völlig den Bach runtergeht. Ich möchte nicht das eine Monopol gegen ein anderes, privates tauschen.

STANDARD: Werbefenster erreichen - technisch - praktisch ganz Österreich und sind deutlich billiger. Wozu noch ORF?

Gartlgruber: Der ORFhat noch immer einen sehr, sehr hohen Anteil an Exklusivsehern. Auch Wenigseher sind sehr gut über ihn zu erreichen. Will man nur 50 Prozent der Österreicher erreichen, tu ich mir mit den Werbefenstern leicht. Will ich 70 oder 80 Prozent in vier Wochen erreichen, brauche ich immer noch den ORF. Dort erreiche ich die, die wenig fernsehen;höhere Bildungsgruppen, höhere Einkommensgruppen. Immer eine Frage des Ziels.

Schmid: Im Übrigen, weil auch gerade wieder über mehr TV-Werbezeiten des ORF diskutiert wird: Ich glaube, das täte dem ORF gut. Das muss die Politik entscheiden.

Gartlgruber: Man könnte ja die Werbezeiten des ORF freigeben, aber seine Werbeeinnahmen deckeln und von einer Kommission prüfen lassen. Das würde im Markt nichts verschieben, aber der ORF könnte mit kompetitiveren Preisen in den Markt gehen.

STANDARD: Wo ist in diesem Feld Puls 4?

Schmid: Wenn so ein kleiner Sender in einem Markt wie Österreich startet, kommen bei der Reichweitenmessung anfangs lauter Nuller raus. Aber wenn wir mittlerweile Reichweitenkurven rechnen, sieht man, dass Puls 4 bei Frauen und Jüngeren einen echten Beitrag leistet.

STANDARD: Aegis Deutschland beschäftigt seit Monaten das Verfahren gegen einen ehemaligen Manager, der sich wahrscheinlich persönlich bereichert hat. Hat das Auswirkungen auf Österreich?

Schmid: Nicht wirklich. Letztlich kann keine Firma verhindern, dass sie einen Angestellten hat, der sich wohl selbst bereichert hat. Als aber dieser Verdacht sehr konkret wurde, hat Aegis sofort selbst Anzeige erstattet. Ein System von Freispots, die die Agenturen weitergeben können, gibt es in Österreich nicht. In unserer Buchhaltung steht bei jedem Spot von Anfang an ein Kundenname.

STANDARD: Neue Agenturchefs haben üblicherweise Ziele.

Gartlgruber: In der Carat steckt noch viel mehr Potenzial. Wir wollen sie weiter nach vorne bringen. Umsatz, Knowhow, Expertise, Zusatznutzen. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 22.1.2008, Langfassung)