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Jimmy Carter (rechts) und Leonid Breschnew küssten sich tatsächlich in Wien...

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... und Gerald Ford scheiterte beim unglücklichen Versuch, Salzburger Boden zu küssen.

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Userin Irmi Laugenbrezel aus Wien fragt:

"Ich bin in Hietzing in unmittelbarer Nähe des Wohnsitzes des US-Botschafters aufgewachsen. Der Sicherheitsaufwand war damals noch nicht so enorm wie heute. Und so kam es, dass wir Kinder auch den einen oder anderen der Gäste auf dem Weg zu Fuß vom Wagen zum Empfang erspähten. Aber meine Mutter - leider schon 1987 gestorben, deshalb kann ich sie dazu nicht mehr befragen - hat mir mehrmals erzählt, dass sie Jimmy Carter in unserer Gasse vor dem Haus gehen gesehen hat. Ist das überhaupt möglich?"

derStandard.at antwortet:

Liebe Frau Laugenbrezel,

Ihre selige Mutter könnte ihn, glaubt man den Aufzeichnungen der Austria Presse Agentur, durchaus gesehen haben, den "echten" Jimmy Carter. Vom 15. bis zum 18. Juni 1979 gab es dazu die Gelegenheit. Der US-Präsident, damals gerade zwei Jahre im Amt, war auf heikler Mission: es ging um Abrüstung und das sogenannte SALT II-Abkommen, das die beiden Supermächte USA und Sowjetunion zur Begrenzung strategischer Rüstung zwingen sollte. Carters Gegenüber damals war der Moskauer Staats- und Parteichef Leonid Breschnew, im Gegensatz zum kleinen Amerikaner sicher kein Demokrat.

Wien hatte zu jener Zeit noch seinen Platz in einer Falte des Eisernen Vorhangs inne und war als Haupstadt des neutralen Österreich Tummelplatz für Agenten von dies- und jenseits der Zonengrenzen. Darum darf Carters Wienreise auch nicht als Staatsbesuch verstanden werden. Österreichs Bundesregierung wurde von dem Amerikaner nämlich offiziell links liegen gelassen - obwohl deren Chef damals immerhin Bruno Kreisky hieß. Was die These stärkt, Carter habe in Wien nicht etwa, wie bei bilateralen Treffen üblich, auf Kosten des Gastgebers in einem Hotel residiert, sondern sei bei seinem Statthalter im schönen Hietzing untergeschlüpft.

18 Jahre zuvor trafen sich ebendort übrigens auch John F. Kennedy und sein sowjetischer Konterpart Nikita Chruschtschow. Damals ging es, wenig überraschend, auch um Abrüstung. Überhaupt stand Österreich selbst nur selten im Mittelpunkt der Österreichbesuche amerikanischer Präsidenten. Richard Nixon zum Beispiel stattete Salzburg zwei Mal einen flugtechnischen Zwischenstopp ab, 1972 und 1974, beide Male hieß die finale Destination aber Moskau. 1975 war Nixons Nachfolger Gerald Ford vom Anblick der Feste Hohensalzburg derart überwältigt, dass er die Gangway seines Flugzeugs im Flug nahm. Und Neo-Ex-Präsident George W. Bush besuchte die Bundeshaupstadt bekanntlich erst vor zwei Jahren im Rahmen eines USA-EU-Gipfeltreffens.

Doch zurück nach Hietzing. Jimmy Carters Wienbesuch war, wie auch der Rest seiner Präsidentschaft, von eher bescheidenem Erfolg. Der US-Senat ratifizierte das Abkommen mit den Sowjets nie, wenngleich sich die USA an dessen Inhalte hielten. Eine nicht unwichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang ein junger Abgeordneter des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats. Ihm gelang es, dem UdSSR-Außenminister zu Konzessionen zu bewegen. Sein Name: Joe Biden. Ob der nunmehrige Obama-Vize damals auch unter Hietzinger Platanen gewandelt ist, bleibt indes im Verborgenen. (red, derStandard.at, 21.1.2009)