Istanbul - Drei Monate nach dem Tod eines in Haft misshandelten türkischen Demonstranten müssen sich in Istanbul 60 Polizisten und Gefängnisbeamte vor Gericht verantworten. Die Beschuldigten seien wegen Folter angeklagt, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch zum Auftakt des Prozesses.

Das Opfer, der 29-jährige Engin Ceber, war im vergangenen Oktober an Gehirnblutungen in einem Krankenhaus gestorben. Zeugen hatten berichtet, Ceber sei verprügelt und mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen worden.

Der türkische Justizminister Mehmet Ali Sahin entschuldigte sich wenig später in einem für die Türkei beispiellosen Schritt und kündigte an, die Verantwortlichen zu bestrafen. 6 der 60 Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft.

Ceber hatte im September 2008 in Istanbul demonstriert. Er forderte, dass Polizisten, die zuvor einen Jugendlichen angeschossen haben sollen, zur Verantwortung gezogen werden. Ceber verteilte dabei auch eine linksgerichtete Zeitschrift.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte die türkische Regierung im Dezember aufgefordert, Straftaten von Polizisten im Amt energisch zu verfolgen. Exzessive Gewalt gegen Bürger und Missbrauch von Amtsbefugnissen würden kaum bestraft, kritisierte die Organisation. Die Zunahme von Polizeigewalt in der Türkei sei auch Folge davon, dass die Regierung Beamte nach Zwischenfällen nicht zur Verantwortung ziehe.

Opfer von Polizeigewalt hätten erklärt, die Beamte fühlten sich unantastbar. Wer sich beschwere, der werde wegen Widerstandes gegen die Polizei verfolgt. Nach Einschätzung von Human Rights Watch hat sich die Lage in der Türkei verschärft, nachdem eine Gesetzesänderung im Juni 2007 der Polizei "übergroße Ermessensfreiheit" bei Einsätzen gegeben hat. (APA/dpa)