Südkoreas unpopulärer Präsident Lee Myung-bak steht nach einer der gewalttätigsten Demonstrationen der jüngeren koreanischen Geschichte massiv unter Druck. Dienstagnacht starben fünf Demonstranten und ein Polizist bei dem Versuch der Ordnungshüter, ein besetztes Gebäude in Yongsan, einem Stadtteil von Seoul, zu räumen.
Diese Blutnacht ist ein schwerer Rückschlag für Lee. Erst am Montag hatte er seinen Finanzminister und seinen Vereinigungsminister ausgetauscht, um mit neuem Personal sein Image zu verbessern. Zudem versucht er, den Menschen in der Weltwirtschaftskrise mit riesigen Konjunkturprogrammen Halt zu geben.
Doch nun beherrschen Vorwürfe die Medien, dass er durch seine Politik der harten Hand gegen Demonstranten und Kritiker für die Tragödie mitverantwortlich ist. Denn seit seinem Amtsantritt im Jänner 2007 drängt Lee auf schärfere Strafen für illegale Demonstranten.
Im Sommer versuchte er erstmals, einen massiven Volksprotest gegen die Wiederaufnahme von Rindfleischimporten aus den USA mit harschen Mitteln zu unterdrücken. Kurze Zeit später begannen Staatsanwälte, nach der Meinung von Bürgerrechtsgruppen ungerechtfertigt, Kritiker der Regierung zu verhaften. Doch die Kompromisslosigkeit der Staatsgewalt in Yongsan überrascht selbst die an Gewalt gewöhnten Koreaner.
"Bereit zu sterben"
Aus Protest gegen ein Neubauprojekt hatten sich am Montag rund 40 lokale Händler - ausgerüstet mit Molotow-Cocktails und Farbverdünnern - in einem vierstöckigen Gebäude in Yongsan verschanzt. Wie ernst ihre Forderung nach höheren Entschädigungen für die Schließung ihrer Geschäfte war, schrieben sie auf ein Transparent: „Wir sind bereit zu sterben!"
Doch die Polizei versuchte nicht, wie noch unter Lees linken Vorgängern im Präsidentenamt, die Besetzer durch Tage oder wochenlange Belagerung zu einer friedlichen Aufgabe zu bewegen.
Stattdessen stürmten bereits am Dienstag laut Medienberichten drei Hundertschaften ohne jegliche Verhandlungen das Gebäude. Das Resultat war katastrophal. Erst warfen die Demonstranten ihre Brandbomben auf die Polizei, dann ging ihr hölzerner Wachturm in Flammen auf und begrub die Opfer.
Polizeichef Kim Seok-ki stand am Mittwoch zu seinem Angriffsbefehl. Die Opfer täten ihm zwar leid, sagte er vor dem Parlament. Aber er wolle eine „konsistente und harte Politik gegen illegale und gewalttätige Demonstrationen" fortsetzen. Er warf den Demonstranten vor, selbstgebaute Bomben und Golfbälle auf Häuser in der Umgebung geworfen zu haben.
Angehörige fordern Rücktritt
Präsident Lee, der zunächst nur eine gründliche Untersuchung der Vorfälle angeordnet hat, steckt nun in einer Zwickmühle. Entweder er steht zu seiner Überzeugung und damit zu seinem erst diese Woche ernannten Polizeichef von Seoul, Kim Seok-ki, oder er knickt ein und entlässt seinen Sheriff wie von der Opposition und den Hinterbliebenen der Demonstranten gefordert. Die Familien forderten, „dass die Regierung alle verurteilt, die für die blutige Unterdrückung des Kampfes des Volkes für ihr Recht zu leben verantwortlich sind." (Martin Koelling aus Tokio, DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2009)