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Foto: APA/AP/Dita Alangkara

Frisch gebackene US-Präsidenten werden gern nach ihrer Generations-zugehörigkeit beschrieben: George Herbert Walker Bush (der ältere Bush) war der letzte Präsident der Generation des Zweiten Weltkrieges; Bill Clinton und George Walker Bush waren "Babyboomer-Präsidenten"; John McCain wäre ein Vietnamkriegs-Präsident gewesen. Barack Obama wird vor allem die Beschreibung umgehängt, dass er der erste afro-amerikanische Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist (hierzulande heißt das immer noch "schwarz"). Und natürlich ist seine Wahl nach Jahrhunderten der Diskriminierung der sichtbarste Ausdruck des sozialen Wandels in den USA.

Digitale Generation

Aber eine mindestens ebenso zutreffende Charakterisierung wäre wohl diese: Er ist der erste US-Präsident der ersten digital aufgewachsenen Generation. Auch wenn Obama noch nicht zu den "digital natives" zählt (Generationen, die von Geburt an mit digitaler Technologie leben), ist er von Jugend an in der digital vernetzten Welt beheimatet. 1977, als Obama die High School besuchte, kam der Apple II auf den Markt, der als erster Computer Spuren im Schulsystem hinterließ. 1979, Obamas erstes College-Jahr, wurde dafür "Visicalc" (von Visual Calculation) geschrieben, die erste Tabellenkalkulation. 1981 "erfand" IBM den Personal Computer, 1984 brachte Apple mit dem Macintosh die erste Windows- Oberfläche auf den Markt. Als Obama 1989 als Jus-Student der Harvard University zum Herausgeber des "Harvard Law Review" gewählt wurde, waren E-Mail und Online-Diskussionsgruppen an Universitäten bereits weit verbreitet; am Forschungszentrum Cern in Genf entwickelte zu dieser Zeit der britische Computerwissenschafter Tim Berners-Lee das World Wide Web.

Meisterhafte Nutzung von YouTube und Co.

Obamas Wahlkampf wird wohl auch wegen seiner meisterhaften Nutzung von Online-Medien wie dem Video-Portal YouTube, sozialen Netzwerken wie Facebook, SMS- und Mailnachrichten und Online-Fundraising - Bereiche, in denen sein Gegner John McCain weitgehend absent war - in die Geschichte eingehen. Allein für Obamas E-Mail-Liste haben sich 13 Millionen Menschen registriert. So wie das Duell Kennedy-Nixon noch heute über die damalige TV-Diskussion definiert wird, war Obama-McCain der erste Wahlkampf, bei dem das Web eine wesentliche, vielleicht wahlentscheidende Rolle spielte. Zwar sind es Wahlkampfteams, die Online-Kampagnen inszenieren, und nicht Obama, der auf Facebook oder Twitter selbst laufend zum Besten gibt, was er gerade macht.

Glaubwürdige Verkörperung

Aber es braucht eine glaubwürdige Verkörperung einer solchen Inszenierung. Und diese Rolle hat Obama mit dem Blackberry in der Hand perfekt gespielt. All das bedeutet natürlich nicht, dass Finanz- und Wirtschaftskrise, die Konflikte im Irak oder Afghanistan oder das US-Gesundheitssystem über Facebook-Gruppen oder YouTube-Videos zu lösen sind. Aber je größer die Krise, desto drängender die Notwendigkeit, möglichst viele Menschen auf möglichst intensive Art an der Politik zu beteiligen. Persönliche digitale Kompetenz ist noch keine Garantie dafür, dass Obama das Potenzial digitaler Medien zur Involvierung vieler Menschen in den politischen Prozess auch nutzen kann. Um geeignete Formen zu finden, braucht es viele Experimente, und Bürokratien sind darin notorisch schlecht. Obama weiß, welche Bedeutung diese Anstrengungen hat: Pünktlich um 12 Uhr am Dienstag, als Obamas Amtszeit begann, ging auch eine völlig neue Website WhiteHouse.gov online.(Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe vom 22.1.2009)