Christoph Bösch will eine ideologiefreie Politik.

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"Wozu haben wir 183 Abgeordnete im Parlament?", fragt sich Christoph Bösch im Interview mit derStandard.at. Der ausgebildete Psychotherapeut hat 2005 die Partei "Die Mitte" gegründet, die sich vor allem für eine Wahlrechtsreform einsetzt, die den einzelnen Abgeordneten wieder zum Repräsentant der Wähler und nicht der Partei machen soll. Ein Gespräch über die Vereinbarkeit von linken und rechten Positionen und das Parteiendenken in Österreich.

derStandard.at: Herr Bösch, wie sind Sie auf die Idee gekommen eine Partei zu gründen, die sich "Die Mitte" nennt? Es gibt doch genug Parteien, die sich um die Wähler der Mitte bemühen.

Bösch: Die Idee für den Namen hatte ich, als ich vor längerer Zeit einmal einen Artikel über das Thema "Die Mitte neu definieren" verfasst habe. Ein guter Name für eine Partei, habe ich mir damals gedacht.

Eines meiner Hauptmotive für die Gründung der Partei war und ist eine Wahlrechtsreform. Ich glaube, dass eine der wichtigsten Verbesserungen im politischen System Österreichs eine Wahlrechtsreform sein könnte, die ein Persönlichkeitswahlrecht bringt. In kaum einem Land ist das Parteiendenken so stark. Wozu haben wir 183 Abgeordnete im Parlament, wenn in den Parteien nur drei, vier Personen das Sagen haben? Es sollte eine repräsentative Demokratie geben und das hieße, dass die 183 Abgeordneten wirklich Stellvertreter ihrer Wähler sind und nicht nur der Parteien. Die Abgeordneten müssen selbstständiger und emanzipierter werden. Jeder einzelne, der gewählt worden ist, ist dem Wähler verantwortlich. Wenn er keine gute Politik macht, wird er nicht wiedergewählt werden. Jetzt bekommt man nur Probleme, wenn man innerhalb der Partei nicht so agiert, wie es gewünscht wird.

derStandard.at: Wie soll so ein Persönlichkeitswahlrecht umgesetzt werden?

Bösch: Ich kenne zum Beispiel einige Vorarlberger, die sehr stark für Selbstständigkeit plädieren. Die fragen: warum wählen wir nicht direkt im Wahlkreis unseren Vertreter?

Es genügt ja, wenn die Vorarlberger oder die Einwohner anderer Bundesländer wissen: dieser Frau oder dieser Mann vertritt mich im Parlament. Ich kann dann sehr wohl bei einer Abstimmung oder einer Rede im Parlament sehen, ob der Abgeordnete das macht, was er versprochen hat und ihn gegebenenfalls wieder abwählen.

In Amerika weiß jeder Bürger, wer sein Abgeordneter im Kongress ist. Den können sie jederzeit anrufen oder ihm per Mail mitteilen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind. Wenn das mehr Leute machen, erzeugt das schon Druck.

derStandard.at: Sie haben ihrer Partei den Namen "Die Mitte" gegeben. Was ist denn die Mitte?

Bösch: Die Mitte ist meiner Meinung nach der gesunde Menschenverstand. Zurück zur Mitte, wenn es irgendwo zu Übertreibungen kommt. Die Mitte muss jeder für sich finden. Letztlich gibt es viele Perspektiven auf die Welt. Jeder Mensch hat eine andere. Ich glaube es ist wichtig zu sagen, dass nicht nur die eigene stimmen kann. Die Mitte ist der Versuch, die "ganze Wahrheit" zu finden. Eher ein Fragezeichen, als eine Ideologie.

derStandard.at: Aber ist das nicht Kraut und Rüben? Wenn es keine einheitliche Linie gibt, dann kann doch eine Partei gar nicht funktionieren, oder doch?

Bösch: Natürlich muss man sich bei jeder Frage konkret entscheiden. Aber das heißt nicht, dass man von vornherein eine Ideologie haben muss.

derStandard.at: Politik verlangt, dass man Position bezieht. Diese Positionen kann man doch letztlich wieder einer Ideologie zuordnen.

Bösch: Nicht unbedingt. Aber derzeit wird dieses Spiel von den Wählern, den Parteien und den Medien gemeinsam gespielt wird. Es ist gekennzeichnet durch Polarisierung: die einen sind die Bösen, die anderen die Guten. Es ist in Österreich besonders stark verankert, dass man Feindbilder aufbaut. Damit lenkt man aber von den eigentlichen Problemen ab. Die Auseinandersetzungen in der Politik laufen meist sehr persönlich ab. Es heißt nicht: das muss getan werden, sondern: dieser Politiker ist unfähig.

derStandard.at: Läuft Politik nicht überall so ab? Es stehen schließlich Menschen hinter dem System.

Bösch: Man muss das einerseits ganz nüchtern sehen und akzeptieren, andererseits darf man aber nicht vergessen, dass man ein Ideal verfolgen kann. Die Sterne können zwar nicht erreicht werden, aber man kann sich an ihnen orientieren. Eine Utopie ist gut, wenn man sich dessen bewusst ist, dass man sie nicht erreichen kann, aber sie trotzdem anstrebt als Richtung und Ziel. Das kann ruhig ein hohes Ziel sein.

derStandard.at: Welche Elemente von linken und rechten Parteien wollen Sie denn vereinen?

Bösch: Einerseits sehr liberale Positionen, wie sie etwa die deutsche FDP hat. Andererseits Themen wie "Nachhaltigkeit". Dann glaube ich, dass die Kultur und die Natur sehr wichtig und schützenswert sind, was wiederum eine eher konservative Position ist. An der christlichen Soziallehre gefällt mir die Solidarität, aber auch die Subsidiarität. Im Grunde genommen ist jeder Mensch ein Individuum und für sich verantwortlich. Aber es soll auch eine Gemeinschaft von Individuen geben. Ich halte nichts von einem kollektivistischen Gleichmachen. Denn Gleichheit ist nicht immer gerecht.

derStandard.at: Wohin wollen Sie mit Ihrer Partei?

Bösch: Derzeit mache ich Aussendungen, um der Partei ein gewisses Profil zu geben. Ein konkretes Programm haben wir noch nicht – es ist auch noch nicht der Zeitpunkt gekommen, um mit der Partei voll durchzustarten, da keine Wahl in Sicht ist. Bei der letzten Wahl stand es auch nicht zur Debatte. Mein Ziel ist es ja auch nicht, ein Mandat zu erwerben. Dazu muss man natürlich bereit sein, wenn es dazu kommt. Aber mir geht es in erster Linie darum, etwas beizutragen, um das System zu reformieren. Ich sehe die Partei ein stückweit auch als Medium.

derStandard.at: Werden Sie manchmal belächelt für ihre Partei und ihr Engagement?

Bösch: Ja, das kann schon vorkommen. Meistens von Leuten, die sich selbst schon einmal engagiert haben und gesehen haben, dass es sehr schwierig ist. Mir geht es nicht darum etwas zu werden, sondern Fragen zu stellen und Ideen zu bringen, Bewusstsein zu schaffen – damit die bestmöglichen Lösungen gefunden werden, die jetzt oft gar nicht zur Sprache kommen. (Teresa Eder/derStandard.at, 23.1.2009)