"Das Parlament kann sich offenbar ganz gut damit arrangieren, dass Rechtsextremisten drinnen sitzen." Nicht nur Rechtsextremismus-Experte Wolfgang Putscheller kritisiert die Vorfälle rund um den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, dessen Mitarbeiter Neonazi-Material im Internet bestellt haben sollen. Auch der Politologe Walter Manoschek von der Universität Wien findet es bedenklich, dass die Vorfälle "nicht unmittelbare Konsequenzen" haben. "Sie müssten eigentlich sofort aus dem Parlament verschwinden", sagt er im Gespräch mit derStandard.at, "das hätte ich als Selbstverständlichkeit empfunden."

"Es gibt offensichtlich keine demokratiepolitischen Grenzen im Land", so Manoschek weiter. Und er appelliert an die Politik: "Ich würde mir erwarten, dass entsprechender politischer Druck ausgeübt wird, so dass Herr Graf als dritter Nationalratspräsident zurücktritt."

Manoschek ist der Meinung, dass in Deutschland längst Konsequenzen gezogen worden wären. "Österreich betreibt nach wie vor einen enorm schlampigen Umgang mit der Abgrenzung nach rechts." Es passiere nichts, "solange nicht eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt."

"Rechtliche Handhabe gering"

"Ich hätte Herrn Graf für reifer gehalten", sagt Helmut Konrad, Historiker an der Universität Graz, findet es aber "nicht verwunderlich", dass Grafs Milieu "so einschlägig denkt." Die rechtliche Handhabe im genannten Fall würde gering sein, sagt er, aber es müsse über moralische Zulässigkeiten in der Republik diskutiert werden. Es sei "sicherlich eine Grenze überschritten worden."

Was er sich für die Zukunft wünscht? "Die Diskussion wird geführt werden müssen. Ich würde mir erwarten, dass es eine Podiumsdiskussion gibt zu dem Thema, wo man Leute dazu holt, die sagen, in welche Richtung Konsequenzen möglich sind. Die Fakten müssen auf den Tisch. Schließlich gibt es noch das Argument, die Bestelllisten seien gefälscht."

"Defizite bei Umsetzung ins öffentliche Bewusstsein"

Bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit findet Konrad, habe man sich wenig vorzuwerfen. Das sei relativ viel geschehen, aber: "Was nicht so gut geklappt hat, ist die Umsetzung ins öffentliche Bewusstsein. Da sehe ich Defizite." (rwh, derStandard.at, 23.1.2009)