Wien - In Österreich erkranken pro Jahr rund 4.700 Frauen an Brustkrebs. 1.600 erliegen dieser Krankheit. Die EU fordert ab 2016 die Behandlung aller Betroffenen an Brustgesundheitszentren. Österreich hat hier einen eklatanten Nachholbedarf. "Etwa 50 Prozent der Patientinnen werden an kleineren Abteilungen behandelt, die nicht die Kriterien erfüllen", sagte am Freitag Christian Marth, Chef der Universitäts-Frauenklinik in Innsbruck, bei einer Pressekonferenz in Wien.

Der Hintergrund: Die Fachgesellschaften für Gynäkologie, Radioonkologie, die RöntgenologInnen und die NuklearmedizinerInnen haben in einer konzertierten Aktion einen Zertifizierungsprozess für solche Brustgesundheitszentren ins Leben gerufen. Dort bzw. an affilierten Abteilungen sollten in Zukunft möglichst viele der Brustkrebspatientinnen behandelt werden.

Die wichtigsten Qualitätskriterien:

- An dem Zentrum müssen pro Jahr mindesten 150 Mammakarzinome diagnostiziert und die Kranken therapiert werden (angeschlossene Zentren: mindestens 50 Fälle).

- Der/die OperateurIn muss pro Jahr mindestens 50 Mammakarzinom-Operationen durchführen, mindestens 50 Prozent davon brusterhaltend.

- An einem Zentrum müssen mindestens drei spezialisierte OperateurInnen (angeschlossene Zentren: 1) arbeiten. Für die Strahlentherapie müssen mindestens zwei Beschleuniger und ein/eine spezialisierter/spezialisierte FacharztIn vorhanden sein.

- Ein Brustgesundheitszentrum erbringt alle Kernleistungen in Diagnostik, Operation, Strahlentherapie, Pathologie und Onkologie.

- Es gibt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fächern wie Nuklearmedizin und Physiotherapie, Seelsorge, Selbsthilfeorganisationen etc.

- In der Therapie werden generelle Handlungspfade umgesetzt. Alle Maßnahmen werden dokumentiert. Einheitliche Standards gibt es auch für Patientenbefragungen, psychoonkologische Betreuung etc.

- Eine zumindest einmal wöchentliche "Sprechstunde" muss organisiert werden. Die Wartezeit darf nicht mehr als zwei Wochen betragen.

- Ein Kernpunkt: Die Qualität der Arbeit muss einem ständigen Überwachungsprozess unterliegen.

Marth: "Es gibt klare Studien, die belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen Erfahrung und Überlebensrate gibt." Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Walter Neunteufel betonte, dass es sowohl gynäkologische als auch chirurgische Abteilungen in Österreich gäbe, die aufgrund ihrer Kleinheit und Infrastruktur nicht die Erfordernisse erfüllen würden: "Wir sind eines der letzten Länder in Europa, das noch nicht begonnen hat, Brustgesundheitszentren zu etablieren."

Zertifiziert

Fünf solcher Zentren sind in den vergangenen Wochen und Monaten zertifiziert worden: in Innsbruck (Universitätsklinik), Wien (Universitätsklinik), Dornbirn, am LKH Klagenfurt und am Krankenhaus Villach. Das entspricht derzeit einem Versorgungsgrad von rund 20 Prozent. Bis 2010 sollen es aber schon 50, bis 2013 schließlich 70 Prozent sein. Die Flächendeckung will man dann 2016 gemäß der EU erreichen. Ernst Kubista, Chef der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am Wiener AKH, wo die Zertifizierung ebenfalls bereits abgeschlossen worden ist: "Brustkrebs ist keine Akuterkrankung. Man hat Zeit, sich eine ordentliche Beratung und Diagnose zu holen." Jeder/jede Arzt/Ärztin, der sage, es müsse sofort und auf der Stelle operiert werden, sei zu flüchten wie ein "Salmonellen-Beisel". Frauen mit Brustkrebs sollten deshalb am ehesten bei solchen Zentren Rat und Hilfe suchen. (APA)