Wien/Astana - Eineinhalb Jahre nach dem Justizfall um Rakhat Aliew, den früheren kasachischen Vizeaußenminister und Botschafter in Österreich, rollt das Landesgericht Wien den Politkrimi aus Zentralasien wieder auf. Anfang nächster Woche hört die Staatsanwalt drei Kasachen an, die Aliew, den einstigen Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten, schwer belasten. Im August 2007 hatte dasselbe Landesgericht eine Auslieferung des prominenten Diplomaten und Oligarchen Aliew abgelehnt. Ein rechtsstaatliches Verfahren sei in Kasachstan nicht garantiert, hieß es damals zur Begründung.

Daran hat sich nichts geändert, doch der Gast muss unbequem geworden sein. Dass die Staatsanwaltschaft noch nicht die Umstände offenlegte, die zu dem neuen "Vorverfahren" führten, gibt dabei Raum für allerlei Konstruktionen: Die neue, seit vergangenen Dezember amtierende österreichische Regierung möchte Aliew loswerden; die wirtschaftlichen Beziehungen zu Kasachstan, vor allem das Gaspipeline-Projekt "Nabucco" der OMV, sind zu bedeutend, als dass sie weiter durch die sehr umstrittene Figur Aliew belastet werden sollen; ein Treffen von Beamten des Innen-, Justiz- und Außenministeriums am 12. Dezember, das sich auch mit dem Fall des illustren Kasachen beschäftigt hatte, könnte den Ausschlag zur Einleitung des neuen Verfahrens gegeben haben - die Staatsanwaltschaft in Österreich ist schließlich weisungsgebunden.

Der 46-jährige Aliew, der nunmehr eine von Griechenland ausgestellte Aufenthaltserlaubnis für den Schengen-Raum haben soll, hatte vergangenen Oktober angekündigt, Österreich zu verlassen. Der "verrückte und mit allen Mitteln geführte Privatkrieg des allmächtigen kasachischen Präsidenten gegen mich" dürfe nicht zu einer Belastung Österreichs werden, schrieb Aliew damals. Im Monat davor, im September 2008, war einer seiner Gefolgsleute, der frühere kasachische Geheimdienstschef Alnur Musajew, in der Nähe der Wiener Universität überfallen worden. Vier bewaffnete Männer hatten versucht, ihn in ein Auto zu zerren. Kasachische Geheimagenten hatten schon 2007 versucht, Aliew selbst zu entführen. Die österreichische Justiz nahm ihn an einem kritischen Punkt dann vorübergehend in Haft - auch um Aliew vor einem Zugriff zu schützen.

Verschwundener Banker

Ob Aliew nun tatsächlich sein Privathaus im Wiener 19. Bezirk verlassen hat oder mit seiner öffentlichen Erklärung nur beruhigen wollte, ist unsicher. Seine Gegner sind jedenfalls weiter aktiv. Armangul Kapaschewa, die Frau eines angeblich von Aliews Männern entführten und seither verschwundenen früheren Bankmanagers, wird nun in Wien gegen Rakhat Aliew aussagen. Kapaschewas letzte Gespräche mit ihrem Mann belasten den Ex-Botschafter. Aliew wurde in Kasachastan in Abwesenheit bereits zweimal zu jeweils 20 Jahren Haft verurteilt wegen Entführung, Korruption, Bildung einer kriminellen Organisation und Machtmissbrauchs.

Kapaschewa, die in Wien zusammen mit Abilmazhen Gilimow, einem anderen, angeblich von Aliew zeitweise entführten Banker, sowie mit dem kasachischen Leiter der Ermittlungen angehört wird, hat dazu noch einen offenbar wichtigen Zeugen im alten Auslieferungsverfahren, den kanadischen Geschäftsmann Adonis Derbas, präsentiert. Derbas erklärt, Aliew habe seine Aussage gefälscht. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2009)