Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn draußen ein rauer Konjunkturwind bläst, wird das Heim zur Festung. Süßes und Snacks ersetzen den Gang ins Beisl, statt großes Unterhaltungskino spielt es kleine Heimelektronik.

Foto: Reuters/Wiegmann

Wien - Um Österreichs Kaffeehäuser ist es nicht gut bestellt, zumindest nicht in Einkaufszentren. Sie gewinnen ihre Kunden immer seltener für einen kleinen Kaffee und schnellen Happen, ist Marcus Wild überzeugt, für klassische Kaffeehäuser zeichne sich ein gravierender finanzieller Schaden ab. Wild führt die Spar European Shopping Centers, und er sieht die Gastronomielandschaft seiner Branche vor einem tiefschürfendem Wandel.

Die flaue Konjunktur könnte ihren Teil dazu beitragen. Jeder zweite Österreicher will sein Konsumverhalten verändern, zeigt eine aktuelle Studie der Karmasin-Motivforschung. Das, obwohl bei vielen die Konjunkturkrise noch gar nicht angekommen sei, meint die Marktforscherin Sophie Karmasin. Rund 90 Prozent sehen in der Finanzkrise Folgen für die Wirtschaft. Höhere Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit seien Realität geworden. Und solange sich die Lage nicht bessere, walte beim Konsum eben die Vorsicht.

Außer-Haus-Konsum sinkt

Von einer panikartigen Konsumverweigerung könne aber keine Re-de sein, sagt Stephan Mayer-Heinisch. Der Präsident des Handelsverbandes sieht vielmehr den Weg des Kompromisses. Statt oft außer Haus werde künftig lieber daheim konsumiert, die Urlaube würden verkürzt und kostspielige Anschaffungen vom Auto bis zur Sauna auf bessere Zeiten verschoben. In Phasen der Rezession verlieren Textilien, Hart- wie technische Produkte - und der Konsum außer Haus, belegt eine neue Gfk-Analyse. Der Lebensmittelhandel profitiere, begehrt seien vor allem Süßigkeiten, Fertiggerichte und Teigwaren.

Unter den Gewinnern sieht sich etwa Kelly-Chef Wolfgang Hötschl. Die Leute verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher, und das erhöht den Chipsbedarf, so seine Rechnung.

Gute Nachrichten aus einer weiteren Nische: Der Klebstoffbedarf steigt, meldet Henkel. Denn Heimwerken boome, und damit steige der Bedarf an entsprechender Ausrüstung. Keine Funkstille auch aus der Elektrobranche: In Zeiten der Krise werde das Zuhause zur gemütlichen Festung, sagt Red-Zac-Chef Peter Osel. Gehe die Waschmaschine ein, werde eine neue gekauft, "Krise hin oder her." Wenn man daran denke, was alles passieren könne, dürfe man nicht selbstständig werden, ergänzt Fotolöwe Robert Hartlauer. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns die Krise nicht herbeireden." Der Griff zur Billigware erübrige sich in seiner Branche, die Preise verfielen hier jedes Jahr ohnehin um bis zu 40 Prozent.

Süßes ersetzt Teures

Gefragt sei der kleine Genuss für den Alltag, glaubt auch Karmasin. Schokolade biete sich da etwa an, oder hie und da ein Kurzurlaub in Österreich. Dass sich das Ausmaß von Wirtschaftskrisen am Schokoverbrauch ablesen lässt, dieses Gerücht will Confiseur Walter Heindl so allerdings nicht bestätigen, auch wenn das Geschäft zuletzt deutlich zugelegt habe. Das ist halt eine nette Theorie, meint er und lacht.

Österreichs Lebensmittelindustrie sei konjunkturstabilisierend, resümiert Branchenvorsteher Michael Blass. Sicher, es gebe da und dort ein paar Verschiebungen. Unter dem Strich würden Essgewohnheiten jedoch zuletzt verändert. Das zeigt auch die Bilanz des Handels: Rewe etwa hat den Umsatz in Österreich im Vorjahr ohne Adeg um mehr als fünf Prozent gesteigert und 370 neue Jobs geschaffen. Das Wachstum soll sich dieses Jahr allerdings leicht reduzieren.

Günter Thumser, Chef von Henkel und Präsident des Markenartikelverbands, sieht die Österreicher nach wie vor auf der Genießerseite. Sie definierten sich viel weniger als Deutsche durch Verzicht, ist er sich sicher. Dass der Anteil der Diskonter steige, sei unbestritten. Von einer Lawine an Billigprodukten könne aber keine Rede sein. Von Schleuderpreisen als Reaktion auf die neue Sparsamkeit hält auch Mayer-Heinisch wenig. "Wer bisher keinen Ramsch wollte, der kauft auch jetzt keinen."

Industrie wird heftig gebeutelt

In der österreichischen Industrie macht sich die unterschiedliche Konjunkturabhängigkeit der Branchen deutlich bemerkbar. Am Freitag veröffentlichte Zahlen der Statistik Austria für November zeigen im Vergleich zum Vorjahresmonat Einbrüche im automotiven Sektor um 20 Prozent. Noch stärker erwischt hat es die Recycler, die ihre Produktion infolge von Preiseinbußen um mehr als ein Drittel kürzten. Einstellige Rückgänge weisen etwa die Metallerzeuger auf.

Besser lief es in den konsumorientierten Branchen, vor allem bei Nahrungsmitteln und Getränken, die leicht im Plus liegen. Die Textilfertigung hält sich deutlich über dem Vorjahresstand. Konjunkturimpulse kommen auch vom Bau, bei dem vor allem der Straßenbau auf vollen Touren rennt. Alles in allem stagnierte die Produktion im November auf Vorjahresniveau.  (Verena Kainrath, Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.1.2009)