Mit "safe-2-go" will Nokia Eltern via GPS überblicken lassen, wo ihre Kinder sich gerade befinden. Auch Firmen sollen dies mit ihren Mitarbeitern tun können.

DER STANDARD

Auf dass Schweden sich den Zuständen in George Orwells Roman "1984" annähere - dafür wolle Nokia jetzt sorgen, behaupten Kritiker. Jeder Besitzer eines Nokia-Handys mit Ortungsfunktion könnte bald überwacht werden. Der weltweit größte Handyhersteller will mit dem privaten Sicherheitsdienst Securitas einen Dienst anbieten, mit dem Familienmitglieder und Freunde stets ausfindig gemacht werden können. Der umstrittene Überwachungsdienst trägt den griffigen Namen "safe-2-go". Nach einer Testphase im privaten Bereich sollen auch Arbeitnehmer hiermit von ihren Chefs kontrolliert werden können.

Alleinlebende Personen

"Der Dienst richtet sich vor allem an Familien und alleinlebende Personen", zitiert die schwedische Zeitung Dagen Nyheter Magnus Friberg, Entwicklungschef bei Securitas Alert Services. Das Programm safe-2-go soll zunächst vier Dienste umfassen. Mit der Funktion "Assist" kann der Handybenutzer mit einem einzigen Knopfdruck die Securitas-Notrufzentrale erreichen. Über den im Handy eingebauten GPS-Sender erhält Securitas den exakten Standort des Kunden, je nach Fall werden entweder ein Sicherheitsdienst, die Polizei oder ein Krankenwagen dorthin geschickt. Der Vorteil zum gewöhnlichen Notruf sei, dass ohne mühselige Beschreibungen sofort bekannt ist, wo der Hilfesuchende sich befindet.

Die zweite und wohl am heftigsten umstrittene Funktion "Zone" ermöglicht Eltern eine Überwachung ihrer Kinder. Individuell lassen sich geografische Zonen wie "Zuhause" oder "Schule" einrichten - bewegt sich der Sprössling in eine nicht verabredete Region, erhalten die Eltern eine SMS. Mit den weiteren Funktionen "Friends" and "Find" kann jederzeit die exakte Position der an das System angeschlossenen Freunde und Familienmitglieder - oder der Arbeitgeber den Aufenthaltsort seiner Mitarbeiter - auf einer Karte erkennen.

Vertrauensvolle Schweden

Schweden haben Vertrauen in Staat und Polizei. Im Gegensatz zu Deutschland ist es frei von den Bespitzelungs-Traumata der Nazi- und Stasizeit. Dennoch hagelt es massiv Kritik: Der Dienst verletze die persönliche Integrität. Etwa könnten eifersüchtige Männer ihn nutzen, um ihre Frauen oder Freundinnen zu überwachen.

Securitas-Mann Friberg sieht das erwartungsgemäß anders. Anwender könnten schließlich selbst entscheiden, wann sie sich aus dem Ortungsnetz ausklinken wollten, um unsichtbar zu werden. Bei Nokia sieht man für den Dienst gute Marktchancen. "Das Ortungssystem GPS wird in einem Jahr bei Handys genauso wie die Kamerafunktion verbreitet sein", ist Christophe Joyau von Nokia Skandinavien überzeugt.

In Kürze

In Schweden soll der Dienst bereits in den kommenden Monaten eingeführt werden. Privatkunden zahlen dafür 59 Kronen (5,52 Euro) im Monat. Geplant ist, safe-2-go baldmöglichst auch für Firmen mit Außendienstmitarbeitern - etwa Heimpflegekräfte - anzubieten.

Gewerkschaften befürchten allerdings, dass Arbeitnehmer durch die permanente Kontrolle in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden könnten. Auch der schwedische Datenschutzbeauftragte Pär Ström betrachtet diese Entwicklung besorgt. Dass Eltern wüssten, wo ihre Kinder sich herumtreiben, sei in Ordnung. Arbeitnehmer könnten allerdings von ihren Chefs gezwungen werden, der Überwachung zuzustimmen.

Gefahr

In weiterer Folge könnte es sein, dass Politiker in einigen Jahren auf die Idee kämen, die Aufenthaltsdaten jedes Bürgers zu speichern und diese für Ermittlungszwecke der Polizei zur Verfügung zu stellen. "Wer den Dienst einfach ausschaltet, macht sich verdächtig. Ein unbehagliches Gefühl", sagt Ström. Apropos: In Schweden herrschen schon heute deutlich schärfere Überwachungsgesetze als etwa in Deutschland. Nahezu der gesamte E-Mail- und SMS-Verkehr kann seit kurzem von den Behörden eingesehen werden. (André Anwar aus Stockholm, DER STANDARD/Printausgabe, 24.1.2009)