Vatikan - Nach zwei Jahrzehnten Kirchenspaltung hat der Vatikan die katholischen Traditionalisten der Bewegung des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre wieder in die katholische Kirche aufgenommen. Mit einem am Samstag veröffentlichten Dekret wurde die Exkommunikation von vier Bischöfen der sogenannten Priesterbruderschaft St. Pius X. aufgehoben.

Kritik löste die Rehabilitation von Richard Williamson aus. Denn gegen den von Lefebvre 1988 zum Bischof geweihten Briten ermittelt die Regensburger Staatsanwaltschaft wegen Holocaust-Leugnung. Er denke, dass „200.000 bis 300.000 Juden in den Konzentrationslagern gestorben" seien, aber nicht ein einziger von ihnen in den Gaskammern, sagte Williamson einem schwedischen TV-Sender am Mittwoch.

Vatikansprecher Lombardi betonte, Williamsons Äußerung habe keinen Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation. Jüdische Organisationen und der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni protestierten trotzdem scharf gegen die Rehabilitierung Williamsons. Di Segni sprach gegenüber der Turiner Zeitung La Stampa von einer „tiefen Wunde". Shimon Samuels vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Paris erklärte, man verstehe zwar den Wunsch des Papstes nach Einheit der Kirche, doch die Wiederaufnahme Williamsons werde dem Vatikan und seinem internationalen Ansehen zum Nachteil gereichen. Beobachter gehen auch von negativen Auswirkungen auf die angeblich für Mai geplante Israel-Reise des Papstes aus.

Gegen den Willen Roms

Der französische Geistliche Lefebvre und seine Anhänger waren 1988 von Papst Johannes Paul II. exkommuniziert worden. Anlass war die Ernennung von vier Bischöfen gegen den Willen Roms. Die Traditionalisten, denen nach eigenen Angaben rund 500 Priester und 150.000 Gläubige angehören, erkennen das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) über die Anpassung der Kirche an die moderne Welt nicht an. Papst Benedikt XVI. hatte seit seiner Wahl 2005 bereits mehrere Versuche unternommen, das Schisma mit den Lefebvristen zu beenden. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2009)