Brüssel - Im Nahost-Konflikt gehen die internationalen Vermittlungsbemühungen weiter. In Brüssel beraten ab Sonntag Abend die EU-Außenminister über die Lage im Gazastreifen, über Hilfe zum Wiederaufbau und über die Chancen für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses. Zu den Gesprächen sind auch ihre Amtskollegen aus der Türkei, Ägypten, Jordanien und der palästinensischen Autonomiebehörde eingeladen. Die EU setzt sich für einen dauerhaften Waffenstillstand ein.

Israel und die radikal-islamische Hamas sind sich aktuellen Informationen zufolge offenbar uneinig über die Laufzeit eines Waffenstillstandsabkommens. Israel habe bei Gesprächen in Kairo einen 18 Monate dauernden Waffenstillstand vorgeschlagen, sagte ein Hamas-Vertreter am Sonntag. Die Hamas strebe hingegen lediglich eine Vereinbarung für ein Jahr an bei gleichzeitiger Öffnung der Grenzübergänge zum Gazastreifen. Die von Israel und der EU geforderte unbegrenzte Feuerpause lehnte sie ab. Strittig ist vor allem die Regelung der Grenzöffnung zum Gazastreifen. Israel pocht auf ein Ende des Waffenschmuggels.

Neuer US-Beauftragter reist in die Region

Dass George Mitchell, der Nahost-Beauftragte der neuen US-Administration, nicht wie zunächst erwartet erst nach den israelischen Wahlen am 10. Februar, sondern schon diese Woche in die Region kommt, hat ein bisschen die Wirkung eines Weckrufs, der auch sofort in den israelischen Wahlkampf hinein hallte. Laut Medienberichten prophezeite Außenministerin Zipi Livni von der Zentrumspartei Kadima, dass ein Sieg des in den Umfragen führenden rechtsgerichteten Likud-Chefs Benjamin Netanjahu zu einem „unvermeidlichen Riss" zwischen Israel und den USA führen würde.

Verteidigungsminister Ehud Barak von der Arbeiterpartei wiederum hält sich selbst für die geeignetste Führungspersönlichkeit, denn „ich kenne die Köpfe der US-Administration gut".

Grenzübergänge

Mitchell wird freilich noch nicht den Friedensprozess angehen können, sondern sich bloß in die Bemühungen um die Festigung der Waffenruhe einschalten, die vor acht Tagen separat von Israel und der Hamas ausgerufen wurde. In Brüssel sollten die EU-Außenminister mit ihren Amtskollegen aus der Türkei, Ägypten, Jordanien und der palästinensischen Autonomiebehörde am Sonntagabend über die Waffenruhe beraten. Beide Seiten verknüpfen die Waffenruhe mit einem Arrangement für die Grenzübergänge.

Hamas-Vertreter waren am Sonntag wieder in Kairo, um mit den ägyptischen Vermittlern zu verhandeln. Die Hamas fordert eine Rolle bei der Verwaltung des Rafah-Terminals an der Grenze zu Ägypten, soll aber jetzt bereit sein, auch die Anwesenheit von Soldaten des mit den Islamisten verfeindeten Präsidenten Mahmud Abbas hinzunehmen. Die Israelis ihrerseits lassen jetzt zwar täglich 120 bis 180 Lastwagen mit Hilfsgütern durch. Normalen Handelsverkehr, also etwa die Einfuhr der für den Wiederaufbau notwendigen Materialien, wollen sie nur ermöglichen, wenn die Unterbindung des Waffenschmuggels geregelt ist.

Gefangenenaustausch

Unklar ist, ob sich die Chancen für die Freilassung des vor zweieinhalb Jahren von der Hamas verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit verbessert haben. Gerüchten zufolge haben beide Seiten bei ihren Bedingungen für einen Gefangenenaustausch etwas nachgegeben.

Die israelische Regierung hat unterdessen den Justizminister beauftragt, Armeeangehörigen bei etwaigen Anklagen wegen ihrer Teilnahme am Gaza-Feldzug rechtlich beizustehen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2009/APA/red)