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Der kongolesische Milizenchef Thomas Lubanga winkt den Bewohnern eines Dorfes nahe der Stadt Bunia zu. Seit März 2006 sitzt er im Gefängnis des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.

Foto: REUTERS/Antony Njuguna/Files

Kinshasa/Nairobi - Wenn Thomas Lubanga am  Montag als erster Angeklagter vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erscheint, muss sich der heute 48-jährige wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten verantworten. Jünger als zehn Jahre sollen tausende der mit Kalaschnikows ausgerüsteten Kämpfer gewesen sein, die Lubanga 2002 und 2003 für seine gefürchtete Miliz, die „Union Kongolesischer Patrioten" (UPC), einspannte.

Den Familien in den von ihm kontrollierten Sektoren der Ituri-Region im Nordosten Kongos setzte er ein Ultimatum: Wer nicht brutal ermordet werden wollte, musste Lubangas Miliz mit einer Kuh, mit Bargeld oder einem Sohn unterstützen. Mehr als 90 Opfer Lubangas sollen in den kommenden Wochen und Monaten vor Gericht den Vorwurf der Anklage belegen, dass Lubanga gezielt Minderjährige rekrutierte und zum Kampf zwang.

"Ein zynischer Sadist"

Doch wer die Menschen in Ituri nach Thomas Lubanga fragt, bekommt viel Schlimmeres zu hören. Ein zynischer Sadist sei der ethnische Hema gewesen, der fast immer unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol gestanden sei. Mit einer lockeren Handbewegung habe Lubanga Hinrichtungen oder Massaker angeordnet, bei denen Tausende mit Vorschlaghämmern erschlagen oder mit Macheten in Stücke geschnitten worden seien.

Anfang 2003 brannten Lubangas Horden in nur zwei Wochen 26 Dörfer in Mongbwalu nieder. Mindestens 350 Bewohner wurden ermordet, mehr als 60.000 flohen. Die meisten Opfer gehörten zur Lendu-Ethnie, deren Verfolgung erklärtes Ziel Lubangas war.

Damit sicherte Lubanga sich die Unterstützung vieler Hema, denn über knappes Land in der Region war es zwischen den beiden Ethnien immer wieder zu Konflikten gekommen. Ideologisch verbrämte Lubanga seinen Feldzug mit Analogien zum ruandischen Völkermord: die Hema müssten vor einem Völkermord gerettet werden, in dem die Lendu wie 1994 die ruandischen Tutsi von militanten Hutu ausgelöscht werden sollten.

Mord, Folter, Vergewaltigung

Ethnische Massaker, Mord, Folter, Vergewaltigungen und Verstümmelungen wirft die Organisation Human Rights Watch Lubanga vor. Doch in Den Haag spielen diese Taten keine Rolle, weil sie juristisch schwer nachzuweisen sind. Ein Protest mehrerer kongolesischer und internationaler Menschenrechtsgruppen, die Anklage gegen Lubanga auszuweiten und auch seine Hintermänner anzuklagen, blieb folgenlos.

Der Aufstieg Lubangas und seiner UPC begann im zweiten Kongokrieg, der wegen der Beteiligung von mindestens sieben ausländischen Armeen auch „Afrikas Weltkrieg" genannt wird. Erst baute Uganda den Diplompsychologen zum Kommandeur seiner Stellvertretermiliz im Kongo auf, später wurde Lubanga von Ruanda unterstützt. Nach heftigen Kämpfen eroberte er 2002 die Provinzhauptstadt Bunia.

Die reichen Goldvorkommen der Region waren ebenso wie die Einnahmen aus Wegegeldern und anderen Abgaben der wahre Beweggrund für die Kämpfe. Mit dem Ende des Kongokriegs begann Lubangas Niedergang: Ugandische Truppen verjagten ihn Anfang 2003 aus Bunia. Im März 2005 wurde er festgenommen und ein Jahr später nach Den Haag ausgeliefert. (Marc Engelhardt/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2009)