Typisch Peter Kleinmann. Hat sich das Sakko über die Schultern gelegt, sieht sich ein Volleyballspiel an. Wenn das Spiel vorbei ist, wird er zum Telefon greifen. Typisch.

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Wien - Jetzt ist Peter Kleinmann völlig verrückt geworden. "Palma Mallorca hat den belgischen Vizemeister Knack Randstad Roeselare 3:0 geschlagen" , sagt er. Verrückt geworden. Was sonst kann Kleinmann zu dieser telefonischen, an Bedeutung doch leicht zu übertreffenden Botschaft veranlasst haben? Es ist kurz nach acht am Abend und noch dazu kurz vor Beginn der Partie Beauvais Oise gegen hotVolleys Wien, den österreichischen Volleyballmeister. Irgendein Tag der vergangenen Woche, irgendeine Sporthalle in Frankreich. Und Kleinmann, der den hotVolleys vorsteht, hat nichts Besseres zu tun, als seinen Rundruf zu machen. Weil durch Mallorcas Sieg vorzeitig gesichert ist, dass die hotVolleys weiterhin im Europacup engagiert sind.

Peter Kleinmann ruft immer an. Oder sagen wir: sehr oft. Vor praktisch jedem Spiel. Praktisch nach jedem Sieg. Manchmal nach Niederlagen. Und er ruft alle an. Wahrscheinlich gibt es keinen Sportjournalisten in Österreich, der noch nicht von Kleinmann mit einer Vorschau, einem Ergebnis oder einem Trainerwechsel konfrontiert wurde. Die meisten kennen seine Nummer auswendig oder erkennen sie zumindest auf dem Display, wenn er anruft. Einige heben dann nicht ab. Oder sie verbinden gleich weiter zum Kollegen, der nie aufs Display schaut: "Christian, ein Gespräch für dich."

Verdienstvoll vernetzt

Peter Kleinmann (61) ist hervorragend vernetzt. Als Parteimitglied speziell in der SPÖ und also in Wien. Mit der für Sport zuständigen Vizebürgermeisterin Grete Laska versteht er sich ausgezeichnet. Laska kommt über Kleinmann zu Positivstorys, er kritisiert sie nicht. Er hat die jährliche Gala des europäischen Volleyballverbands (CEV) ins Wiener Rathaus gebracht, sie hat ihn mit dem "Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien" ausgezeichnet. Der CEV wiederum, vom Rathaus angetan, überreichte Kleinmann für sportliche Verdienste den "Goldenen Volleyball" .

Mit Radio Wien (Edi Finger) hat Kleinmann kooperiert, und zu Radio Wien hat er vor Jahren dem ehemaligen Teamaufspieler Wolfgang Eichinger die Rutsche gelegt. Eichinger, mittlerweile Ö3-Sportreporter, verbindet mit Kleinmann "eine Hassliebe. Wir haben uns schon ohne Ende befetzt. Aber im Endeffekt schätz ich ihn und seinen Elan." Ohne Kleinmann, sagt Eichinger, wäre Österreichs Volleyball "im Niemandsland" . Wo Österreichs Volleyball mit Kleinmann ist? Eichinger zögert. "Die Tendenz zeigt nach oben." Würde man Europa dritteln, wäre Österreich im mittleren Drittel klassiert. Weit weg von einer Qualifikation für EM- oder WM-Endrunden oder gar Olympia. Ähnlich wie die Fußballer. Im Volleyball hat sich der Zerfall der Sowjetunion freilich stärker ausgewirkt, jener Jugoslawiens ebenfalls.

Da Österreich nur als Veranstalter an einer EM teilnehmen kann, veranstaltet Kleinmann die EM. Zum zweiten Mal nach 1999 wird 2011 in Wien um den Titel gespielt, und wieder ist Kleinmann angetreten, ein Nationalteam aufzubauen, das sich bewähren soll. Vor zehn Jahren endete das Unterfangen EM mit einem Misserfolg, die Österreicher blieben ohne Satzgewinn. Unmittelbar vor dem Turnier hatte Kleinmann, damals PR-Manager der EM, einen Wickel mit Teamchef Zdenek Hanik, der seinen Rücktritt androhte.

Ein Kommen und Gehen

Peter Kleinmann lebt seit fast fünfzig Jahren Volleyball. Er spielte selbst, war Trainer bei Sokol und bei Kagran, ehe er Tyrolia übernahm. Aus Tyrolia wurde Donaukraft, aus Donaukraft wurde Bayernwerk, aus Bayernwerk wurden die hotVolleys, die zuerst e.on und dann Aon voranstellten. Die Meisterschaft wurde stets zwischen zwei Teams entschieden, ein starker Gegner ist Kleinmann recht, noch lieber ist's ihm, wenn der Gegner etwas schwächer ist als sein Klub. Er matchte sich mit Sokol (Möma) und Salzburg, matcht sich nun mit Hypo Tirol.

Kleinmann war nicht nur Trainer, sondern auch Manager, jetzt ist er Klubchef und Verbandspräsident. Er hatte Kürschner gelernt und eine Boutique betrieben, ehe er sich voll auf Volleyball konzentrierte. Als Manager hat er erfolglose Trainer gefeuert und sich immer wieder selbst auf die Bank gesetzt. Auch unter den Legionären bei seinem Klub herrschte ein reges Kommen und Gehen. Schwer für die Fans, sich mit der oft neu zusammengestellten Mannschaft zu identifizieren.

Den Trainerjob will sich Kleinmann nicht mehr antun. Sagt er. Ehemaligen Spielern ist seine Härte in Erinnerung. "Wenn sich einer vor einem wichtigen Spiel verletzt hat, wurde ihm von Kleinmann Angst vorm Gewinnen vorgeworfen" , sagt Eichinger. "Er kennt nur Schwarz oder Weiß. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn, sagt er. Aber vielleicht wäre er ohne diese Kompromisslosigkeit nicht so weit gekommen." D'Artagnan war ein Spitzname Kleinmanns bei seinen Spielern, "Arik Brauer für Arme" aufgrund der Ähnlichkeit ein anderer. Medial kommt Kleinmann oft als "Mr. Volleyball" und "Volleyball-Zampano" daher.

Peter Kleinmann weiß und gibt auf alles eine Antwort. Oft wird er darum gebeten. Das Versagen der österreichischen Sportpolitik vor allem im Schulbereich ärgert ihn seit Jahr und Tag. Auf den Fußball ist er neidisch, nicht wegen der Erfolge, sondern wegen der Aufmerksamkeit, die der Fußball erzielt. Mag sein, dass er aus einer Art Komplex heraus so oft betont, wie viele Menschen weltweit und hierzulande Volleyball spielen. Zumindest in Österreich wirkt es sich aus, dass die hotVolleys mit Schulen kooperieren und etliche Nachwuchsteams stellen. Mehr als 600.000 Österreicher spielen Volleyball, nur der Fußball (950.000) steht besser da.

Aus den vielen Nachwuchsteams kamen bis dato nur sehr wenige Talente in erste Klubmannschaften oder gar ins Nationalteam. Hier steht sich Kleinmann selbst im Weg. Er kann nicht jedes Jahr internationale Erfolge und Meistertitel anstreben und gleichzeitig fünf junge Österreicher aufstellen. An den Legionären kommt so rasch keiner vorbei, das raubt schon Jugendspielern die Perspektive. Darüber hinaus sind im Beachvolleyball die Chancen größer, weil die Mannschaften kleiner. Hervorragende Hallenspieler, allen voran Nik Berger, übersiedelten an den Strand und nahmen an Olympischen Spielen teil, worauf sie indoor von vornherein keine Chance gehabt hätten. Kleinmann muss den Spagat zwischen Kluberfolgen und Nationalteam-Aufbau versuchen, zwangsweise kann er ihn nicht schaffen.

"In einem anderen Land" , sagt Stelian Moculescu, "wäre Kleinmann viel weiter gekommen." Moculescu (58) muss es wissen. Der gebürtige Rumäne spielte Anfang der 80er unter Kleinmann, der damals schon coachte, in Wien. Später wurde er selbst Trainer, führte Deutschland '08 zur ersten Olympia-Teilnahme seit 1972 (auf Rang neun), mit Friedrichshafen hatte er 2007 die Champions League gewonnen. Der Gewinn dieses Titels ist Kleinmanns Traum. Einmal (2000), mit Bayernwerk, stand er immerhin im Final Four - und wurde Vierter. "Das war schon eine Mission Impossible, die er da geschafft hat" , sagt Moculescu. Kleinmann sei "ein Geistesverwandter. Wir sind beide ein bisserl verrückt." Auch Kleinmann wolle den Volleyball-Everest besteigen. "Da er aber in Österreich daheim ist" , sagt Moculescu, "muss er unter Meereshöhe weggehen."
Die Hürde, der Anruf

Das System der verschiedenen Ligen ist nicht leicht zu durchblicken. Nun erreichten die hotVolleys als Vierte ihrer Champions-League-Vierergruppe den CEV-Cup (quasi Uefa-Cup). Dort wartet Italiens Tabellenführer Cuneo. Das sieht nach einer (zu) hohen Hürde aus. Peter Kleinmann sagt, dass es schwierig wird, dass es aber immer eine Chance gibt. Gleich nach der Auslosung rief er an. (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 26. Jänner 2009)