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Im November sprühten Männer von drei Motorrädern Säure aus Spritzpistolen und Wasserflaschen auf 15 Mädchen und Lehrerinnen.

Foto: AP Photo/Emilio Morenatti
Kandahar - Junge Mädchen in blauen und grünen Burkas strömen in den Schulhof. Dort legen sie ihren Schleier ab, stopfen ihn in ihre Schultasche und eilen in ihre Klassenzimmer. Die Szene wirkt, als hätte es vor der Schule in der afghanischen Stadt Kandahar vor zwei Monaten nie einen Säureanschlag gegeben. Doch obwohl der Unterricht wieder läuft, sind die Schülerinnen, ihre Eltern und der Schuldirektor noch immer nervös. Die von der Regierung zugesagten besseren Sicherheitsvorkehrungen seien bisher nicht verwirklicht worden, sagt Direktor Mehmud Kaderi. Einige Schülerinnen haben zu viel Angst, Reportern ihren Namen zu sagen oder sich fotografieren zu lassen.

Säure aus Spritzpistolen

Im November sprühten Männer von drei Motorrädern Säure aus Spritzpistolen und Wasserflaschen auf 15 Mädchen und Lehrerinnen, als diese auf dem Weg in die Mirwais-Mena-Schule waren. Das Gesicht eines der Mädchen wurde so schwer verätzt, dass sie zur Behandlung nach Indien geflogen wurde. Vier weitere werden noch immer in Krankenhäusern in der Hauptstadt Kabul behandelt.

Die Angreifer hatten offenbar das Ziel, die Mädchen vom Schulbesuch abzuschrecken. Während der Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001 war Mädchen der Schulbesuch verboten. Aufständische im Süden des Landes, wo die Taliban wiedererstarkt sind, haben in den vergangenen Jahren wiederholt Schulen angegriffen.

Leere Schulen

Anfangs erreichten die Säureattentäter ihr Ziel. "Nach dem Vorfall blieb die Schule vier Tage lang leer", sagt Direktor Kaderi. Doch nachdem er sich bei Eltern und Regierung dafür eingesetzt habe, seien inzwischen fast alle der 1.500 Schülerinnen zurückgekehrt. Dies zeigt, dass sich nicht alle Afghanen im Süden von den Taliban einschüchtern lassen. Die Rückkehr der Mädchen zu erreichen, war aber nicht leicht, und vielleicht auch nicht von Dauer.

Viele sagen, dass sie auf dem Schulweg immer noch Angst haben. "Sie sollten unsere Gesichter nicht zeigen", sagt ein Mädchen aus der neunten Klasse zu einem Fotografen der Nachrichtenagentur AP. "Sie bringen uns in Schwierigkeiten." Ihren Namen will sie nicht nennen. Eines der Anschlagsopfer, die 15-jährige Atifa Bibi Husainai, erzählt, dass die Männer zwar festgenommen wurden. Dennoch schafften sie es, ihr aus dem Gefängnis über Mittelsmänner Drohungen zu schicken. "Wenn unsere Leute verurteilt werden, lassen wir dich nicht am Leben", bekomme sie von ihnen zu hören.

Und der Direktor sagt, seine Angehörigen versuchten, ihn davon zu überzeugen, Afghanistan zu verlassen, da er möglicherweise in Gefahr sei. Aber er habe so viel Energie darauf verwendet, den Unterricht wieder in Gang zu bekommen, dass er bleiben wolle. Nach einigen Tagen mit leeren Klassen habe er beschlossen, dass er die Eltern überreden müsse, ihre Töchter zurückkehren zu lassen. Er berief eine Elternversammlung ein. "Ich erklärte ihnen, dass sie verlieren und die Feinde gewinnen, wenn sie ihre Mädchen nicht in die Schule schicken", sagt Kaderi. Die Eltern stimmten zu, und der Direktor dachte, er habe sie überzeugt. Doch eine Woche später blieben die meisten Mädchen noch immer zu Hause.

Polizisten vor den Schulen

Kaderi wandte sich nun an die Regierung und bat um die Stationierung von Polizisten vor der Schule und auf den wichtigsten Straßen. Er bat um Busse für die Schülerinnen, die weiter weg wohnen. Und er bat sogar um eine Fußgängerbrücke über eine Fernstraße, damit die Mädchen nicht vom Verkehr gefährdet würden. Der Provinzgouverneur und der Polizeichef hätten zugesagt, alle Forderungen zu erfüllen, sagt Kaderi. Polizisten erschienen vor der Schule, und der Direktor traf sich erneut mit den Eltern. "Ich lud die Väter und Mütter ein und sagte, dass die Regierung den Schutz der Schülerinnen zugesagt habe." Die Eltern waren wieder einverstanden, und danach erschienen die Mädchen tatsächlich wieder zum Unterricht.

"Jetzt sind die Klassen voll. Fast alle nehmen am Unterricht teil, sogar das Mädchen, das am schwersten verletzt wurde." Doch der Polizeischutz währte nur zwei Wochen, und die Schülerinnen werden nervös. Busse waren nie im Einsatz. Das Bildungsministerium in Kabul sagt, die versprochenen Busse und Polizeikräfte seien Teil eines größeren Plans, um die Sicherheit an Schulen in Regionen zu verbessern, in denen es Angriffe gegeben habe. Solche Probleme mit der Sicherheit an Mädchenschulen gebe es in sechs Provinzen, sagt Ministeriumssprecher Asif Nang. Landesweit seien deswegen 682 Schulen geschlossen, die meisten im Süden.

Die Finanzierung der Schutzpolizisten und Busse sei noch nicht genehmigt, sagt Sprecher Nang und verweist auf die schwierige Aufgabe des Ministeriums bei knapper Finanzlage. Heute besuchen in Afghanistan sechs Millionen Kinder, darunter zwei Millionen Mädchen, die Schule. Unter den Taliban waren es weniger als eine Million, praktisch nur Buben. Kaderi befürchtet, dass die Mädchen aus Angst bald wieder dem Unterricht fernbleiben. "All diese Dinge, die ich den Eltern im Namen der Regierung versprochen habe, sie passieren einfach nicht", klagt der Direktor. (Von Noor Khan und Heidi Vogt/AP)