Dem "Europäischen Zentrum für erneuerbare Energie" im burgenländischen Güssing gelang vor kurzem ein europaweit vielbeachteter Durchbruch.  Aus Holz wurde reinstes "Erdgas" produziert.

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Wer von Norden kommend auf der B 50 nach Güssing hineinfährt, muss erst einmal durch eine unansehnliche Gegend. Im Hintergrund die Burg auf der Spitze des eindrucksvollen Kegels. Links und rechts der Burgenland-Straße die optische Trostlosigkeit eines x-beliebig scheinenden Gewerbe- und Betriebsgebiets, aufmunitioniert durch das übermäßig reiche Sprudeln europäischer Förderquellen.

Genau das da aber hat im vergangenen Nationalratswahlkampf der damalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen unermüdlich als Zukunftmodell für ganz Österreich angepriesen. In diesen unscheinbaren Hallen wird an der technischen Durchführbarkeit der grün inspirierten "Energiewende" gearbeitet, zu der sich mittlerweile ja alle wortreich bekennen.

Das "Europäische Zentrum für erneuerbare Energie" (EEE) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit allen Aspekten alternativer, erneuerbarer Energiegewinnung. Unlängst gelang einer dort tätigen Forschergruppe ein spektakulärer Durchbruch: Ein österreichisch-schweizerisches Konsortium, an dem federführend auch die Technische Universität Wien beteiligt ist, konnte aus Holz Methangas herstellen, dessen Reinheit das russische Erdgas noch übertrifft. Der Durchbruch gelang kurz vor Weihnachten. Mitte Jänner erhielten die Güssinger dafür den Umweltpreis des Schweizer Bundesamtes für Energie, den "Watt d'Or". Zum ersten Mal wurde damit ein nicht rein schweizerisches Projekt ausgezeichnet.

Reiner als russisches Gas

Die Holzvergasung ist keineswegs etwas Neues, erzählt EEE-Chef Reinhard Koch. Was aber den Güssingern jetzt nach jahrelanger Versuchsarbeit auf einer Ein-Megawatt-Anlage gelang, sei die beinahe vollständige "Methanisierung". Während die Russen ihrem Erdgas noch Methan zufügen müssen, "kommen wir auf einen Methananteil von 98 Prozent". Dieses Holzgas kann problemlos durch die bestehenden Netze geleitet werden.

Güssing allerdings hat selbst kein Gasnetz. Und so suchte man für ein "1:1-Modell" eine entsprechende Gemeinde. Gefunden hat man die Stadt Göteborg, die eine 100-Megawatt-Anlage ins Auge gefasst hat. Der Güssinger Versuch habe die grundsätzliche Möglichkeit belegt, "nun müssen wir beweisen, dass das auch in großem Maßstab geht".

Die Güssinger sind diesbezüglich so zuversichtlich, dass sie bereits ihr nächstes Projekt angehen. Noch heuer wollen sie aus südburgenländischem Holz "Rohöl" herstellen, aus dem dann, je nachdem, Benzin oder Diesel raffiniert wird. "Wir überlegen nur noch, ob wir eine eigene Anlage zur Raffinierung bauen oder ob wir das in Schwechat machen lassen."

Die Güssinger Entwicklungen - darauf legt Koch wert - erspart der bisherigen Energiepolitik keineswegs ein fundamentales Umdenken. "Wir haben nicht nur ein technisches Verfahren entwickelt, sondern auch ein politisches. Unser Modell macht nur dezentral Sinn." Das Güssinger Modell sei ein kommunal bis regional ausgerichtetes.

Da gäbe es durchaus auch Widerstände der bisherigen "big player". Immerhin geht es um ziemlich viel Geld. Rund 36 Mio. Euro gibt der Bezirk Güssing jährlich für seine Energieversorgung aus. Koch und seinem Team gelang es in den vergangenen Jahren, mit Strom, Wärme, Holzvergasung und Biosprit Energie im Wert von 20 Mio. selbst herzustellen. Geld, das nun in der Region zirkuliert.

Das "Modell Güssing" sei exportierbar, meint Koch. Und diesbezüglich müsse man nicht einmal das Rad neu erfinden. "Beim Trink- und beim Abwasser haben wir ja schon die Struktur der Gemeindeverbände. Warum soll das nicht auch bei Energie funktionieren?"

Diesbezüglich interessierte Bürgermeister - sagt jetzt nicht nur Koch - sollten über die EEE-Homepage Kontakt mit der Güssinger Beratungsabteilung aufnehmen. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.1.1.2009)