Die "Generation Internet" Bulgariens kämpft für ein neues Staatsmodell: Die jungen Menschen erinnern sich kaum an die anti-kommunistischen Proteste ihrer Eltern zu Zeiten der Wende von 1989. Groß geworden sind sie während des mühevollen Übergangs zur Marktwirtschaft in Bulgarien. Jetzt gehören sie zur Generation des Balkan-Landes, die heuer erstmals im Internet zu Protesten gegen die Regierung aufrief. "Es reicht!" Unter diesem Motto trommelten die Jugendlichen seit Mitte Jänner bereits sechsmal Unzufriedene zum Protest vor dem Parlament in Sofia zusammen. Ein "neues politisches Modell" ohne Korruption war die zentrale Forderung.

"Kinder des Übergangs"

Die heimischen Soziologen bezeichnen diese Generation als die "Kinder des Übergangs". Im Gegensatz zu ihren unmittelbar nach dem Sturz des Kommunismus politisch sehr aktiven Eltern unterstützen sie selten eine Partei oder Gewerkschaft. Die echte und virtuelle Welt des Internets bestimmt dagegen für 81 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Leben. Auf der anderen Seite vernachlässigen sie nicht klassische Tugenden: Knapp die Hälfte von Ihnen liest auch Bücher. Zwei Drittel streben eine gute Ausbildung an. Politiker sind ihnen dagegen ziemlich gleichgültig.

"Für mich ist wichtig, dass unser Staat vorankommt", so erklärt Rumen Sachariew im renommierten Fernsehmagazin "Panorama" das Ziel der Proteste. Der ehrgeizige Student der Verwaltungswissenschaften gehört zum Initiativkomitee. Den Protesten haben sich neben Studenten und Umweltschützern auch Pensionisten und Bauern angeschlossen. Der erst 15-jährige Martin Stojanow aus Sofia war ebenfalls dabei. "Ich träume von einem besseren Leben", sagt er. Ziel sei, irgendwann nur noch gute Nachrichten in der Zeitung zu lesen: Der Müll wird entsorgt, es gibt höhere Gehälter und Bulgarien ist nicht mehr das Schlusslicht der EU."

Enttäuscht

Doch Martin ist enttäuscht von den Ausschreitungen, zu denen es während der ersten Kundgebung gegen die sozialistisch geführte Regierung unter Premier Sergej Stanischew vor zwei Wochen kam. 154 Menschen wurden festgenommen, 33 verletzt, darunter auch Polizisten. "Die neue Generation von Bürgern ging auf die Straße und machte es recht gut", meint dennoch der Politologe Ewgenij Dajnow in der Zeitung "24 Tschassa".

Erstmals in Bulgarien wurden die Demonstranten vor dem Parlament von Sympathisanten im Internet massenhaft unterstützt. Die Proteste der Internet-Generation zeigten, dass die "Übergangsphase in Bulgarien ein Software-Problem hat und ein Neustart erforderlich ist", beschrieb die Zeitung "Sega" die Lage ganz in der IT-Sprechweise. (APA)