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Jimmy Wales, Gründer von Wikipedia.

APA-FOTO: BENEDIKT LOEBELL

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"Der Zugang zu Informationen muss frei sein"

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Immer online, ohne festem Arbeitsplatz und der Laptop ist immer mit dabei. Seine Tochter erreicht ihn per Telefon, wenn er durch die Länder tourt, um seine Botschaft zu verbreiten. "Der Zugang zu Informationen muss frei sein", pocht Wikipedia-Gründer Jimmy Wales auch acht Jahre nach der Öffnung der Internet-Enzyklopädie am Dienstag vor Journalisten in Wien.

Und wenn er etwas weiter in die Ferne blickt träumt er davon, dass in jeder der über 200 Sprachausgaben eines Tages mindestens 250.000 Artikel zu lesen sind. Ein Ziel, das heute noch unerreichbar scheint, so Wales. Während die deutschsprachige Fassung bereits über 850.000 Beiträge zählt, stammen aus manchen Teilen Afrikas gerade einmal eine Hand voll Artikel.

"Wir werden niemals mit Zensur kooperieren"

Doch beim Streben nach Informationsvielfalt sehen sich die rund 25 Festangestellten und die engagierte Wikipedia-Gemeinde vor eine Reihe an Herausforderungen gestellt. Wird auf der einen Seite die Manipulationsmöglichkeit der politischen und wirtschaftlichen Beiträge beklagt, hat man in Ländern wie China mit restriktiver Informationspolitik und Zensur zu kämpfen.

Künftig solle deshalb nach dem Vorbild der deutschsprachigen Ausgabe des Lexikons ein Prüfverfahren eingeführt werden, bei dem erfahrene Schreiber neue Artikel kontrollieren und absegnen müssen, bevor sie online gehen. Diese Methode habe sich trotz anfänglicher Kritik bewährt und könne sukzessive ausgebaut werden. "Wir werden niemals mit Zensur kooperieren", entgegnet Wales der zweiten Problemstellung. Erst kürzlich habe er sich mit dem Informationsminister Chinas zusammengesetzt, um die Funktion Wikipedias zu erläutern. Und, momentan zumindest, ist der Zugang zum Nachschlagewerk nicht gesperrt. Beim Kampf gegen die Zensur käme Wikipedia das offene Lizenzmodell zugute. Zahlreiche Webseiten-Betreiber spiegeln die Inhalte auf ihren Servern und veröffentlichen sie unter ihrem Namen neu. So waren zumindest Teile des Werks auch während der Abschottung in China abrufbar.

"Ich sprach mit einem Mitglied des Teams, das Barack Obamas Einzug ins Weiße Haus vorbereitet hatte - zumindest scheinen sie mich zu kennen."

Weniger Sorgen bereitet Wales die triste Wirtschaftslage. "Zunächst waren wir besorgt, doch dann sammelten wir mehr Spenden, als je zuvor." Für 2009 stehen der Organisation etwas mehr als sechs Millionen US-Dollar zur Verfügung, der Großteil des Geldes werde dabei in den Ausbau der Hardware sowie in das Netzwerk gepumpt. Wales plane daher keine Veränderung am Business-Modell, das Werk bleibe auch künftig frei von Werbung. "Wir sehen uns als Rotes Kreuz für Informationen", scherzt Wales.

Wie der Wandel der US-Politik sich auf die IT-Branche auswirken wird, traut er sich nicht zu sagen. Unterschiede seien aber jetzt schon erkennbar. "Ich sprach mit einem Mitglied des Teams, das Barack Obamas Einzug ins Weiße Haus vorbereitet hatte - zumindest scheinen sie mich zu kennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies bei Bushs Administration der Fall war."

"Jeder von uns erzählt Witze, dennoch brauchen wir echte Komödianten."

Sein Verhältnis zu Politikern sieht der Wikipedia-Erfinder entspannt. "Wir hatten bisher kaum Probleme mit Politikern." Natürlich habe es Kritik an Publikationen gegeben. Zweifel an der Offenheit scheinen deshalb allerdings nie aufgekommen zu sein.

Weniger dramatisch sieht Wales auch den oftmals postulierten Untergang des Profi-Journalismus', durch die Breite an freiwilligen Nachrichtenschreibern - sei es auf Webblogs oder im Online-Lexikon. Auf diese Befürchtung kontere er stets: "Jeder von uns erzählt Witze, dennoch brauchen wir echte Komödianten".

Google

Neben Wikipedia führt Wales das profitorientierte Unternehmen Wikia. Um das populärste Projekt "Wikia Search" ist es medial ruhig geworden. Die Erwartungen an die Community-getriebene Suchmaschine sind dennoch groß. Momentan sei man dabei Fehler zu beheben und den freiwilligen Mitarbeitern die passenden Werkzeuge bereitzustellen. 2,5 Millionen Beiträge seien bereits eingegangen, "große Neuerungen werden wir in absehbarer Zeit jedoch nicht ankündigen", so Wales. Vom Spitzenreiter Google sei man noch weit entfernt. "Es wird mindestens noch ein Jahr dauern, bis wir konkurrenzfähig sind".

Die ganze Welt ein Forum

Für den vielreisenden Wales sei das Schöne am Internet, dass Menschen aus aller Welt durch Plattformen wie Wikipedia eine Möglichkeit gefunden haben, einander auszutauschen. Die Leitsprache Englisch empfindet Wales nicht als Bedrohung für lokale Sprachen. Viele würden sich nun aber eine zweite Sprache aneignen. Selbst Menschen "in den abgelegensten Dörfern Chinas hätten nun einen Grund Englisch zu erlernen".

Um die breite Masse an der Mitarbeit an Wikipedia zu begeistern und den momentan großen Einfluss von technikaffinen Schreibern etwas abzuschwächen, sollen 900.000 Dollar investiert werden, um die Editierung von Artikeln zu vereinfachen. Das Problem sei, dass zurzeit vor allem Beiträge von Personen erstellt werden, die von vornherein internetbegeistert sind. Beispielsweise würden dadurch ältere Menschen ausgegrenzt. Die Identität Wikipedias solle trotz schrittweiser Öffnung bewahrt werden. "Das Schlimmste wäre für mich, wenn aus Wikipedia eines Tages so etwas wie MySpace würde." (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 27.1.2009)