Das Cover von "Persepolis. Jugendjahre" von Marjane Satrapi.

Bild: Ueberreuter Verlag Cover "Persepolis - Jugendjahre"

Im Rahmen der "Plattform gegen Gewalt in der Familie" hat der Verein "EfEU" (Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle) ein Projekt über Mädchen mit Migrationshintergrund in der Jugendliteratur gestartet. Für dieses werden seit 2005 Jugendbücher recherchiert, in denen die Hauptfiguren junge Frauen und Mädchen mit unterschiedlicher Herkunft sind. Somit soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Lebensrealität von diesen Mädchen in der ersten, zweiten und dritten Generation in den aktuellen Jugendbücher widergespiegelt.

Recherchiert wurde via Internet und durch Umfragen in Buchhandlungen. "Die ersten Ergebnisse 2005 waren ernüchternd", so Renate Tanzberger, Initiatorin des Projektes, gegenüber dieStandard.at. Nur sehr wenige Bücher, in denen Mädchen mit Migrationshintergrund im Mittelpunkt stehen, konnten ausgeforscht werden. Zusätzlich spielte die Handlung in der gefundenen Literatur kaum in Österreich und lag oft bis zu 20 Jahre zurück. Mit Büchern, die Geschichten aus dem hier und jetzt erzählten, sah es besonders schlecht aus.
Zudem waren teils sehr klischeehafte Erzählungen darunter: Kaum kamen Bücher vor, in denen mehr als ein Mädchen mit Migrationshintergrund in einer Schulklasse war, auch kam selten vor, dass sie schon in dem Land, indem sie aufwuchsen, geboren wurden, erklärte Tanzberger.

Zwei Welten

"Wir würden uns mehr Jugendbücher wünschen, in denen das Leben in mindestens zwei Welten spielt. Das kennen viele Mädchen mit Migrationshintergrund und das kann auch positiv dargestellt und als Ressource gesehen werden - für die Mädchen und die Gesellschaft insgesamt", so Renate Tanzberger.
Aus dem vorerst knappen Fundus wurden schließlich 17 Bücher ausgewählt. Der weitere Plan des Projektes bestand darin, Mädchen mit Migrationshintergrund zu finden, die diese Bücher rezensieren sollten. Eine Lehrerin vom BG/BRG Bertha von Suttner (Wien) half mit, aus ihren Klassen Rezensentinnen zu finden. In den Rezensionen konnte beispielsweise behandelt werden, ob sich die Rezensentin selbst in den Geschichten wieder findet, auch eine Beschreibung der jeweiligen Hauptfigur war vorgesehen.

Radiosendung

Eine zweite Schule, die sich beteiligte, die Islamische Fachschule für soziale Bildung, beschäftigte sich über mehrere Monate mit dem Rezensionsprojekt. Dort entschieden sich die jungen Frauen nach einer kurzen Vorstellung der Bücher durch die Lehrerinnen für ein Buch. Aus dem Buch-Projekt machten die Schülerinnen schließlich auch eine Radiosendung und organisierten einen Tag der offenen Tür, bei dem die Rezensionen präsentiert wurden.

Zwei Jahr später machte sich EfEU erneut auf die Suche nach Jugendliteratur, nach wie vor mit dem Ziel Hauptprotagonistinnen mit Migrationshintergrund zu finden. Im Gegensatz zu 2005 konnte 2007 beobachtet werden, dass nun deutlich mehr Bücher mit migrantischen Handlungsträgerinnen herausgebracht worden waren. Mittlerweile befinden sich 31 Bücher auf der Homepage des Projektes und eine Menge Rezensionen.

Workshops

Renate Tanzberger ist für das Jahr 2009 vom Büchereiverband Österreich eingeladen worden, in allen neun Bundesländern Workshops zum Thema "Mädchen mit Migrationshintergrund in der Jugendliteratur" abzuhalten. "Wir wissen, dass unsere Liste von Studierenden und von Lehrerinnen genützt wird, wodurch zur Verbreitung des Themas 'Mädchen mit Migrationshintergrund' beigetragen wird. Wir hoffen auch, durch das Projekt sichtbar machen zu können, dass Mädchen mit Migrationshintergrund manchmal Erfahrungen machen, die Nicht-Migrantinnen nicht kennen, beispielsweise durch Diskriminierungen, Gewalterfahrungen durch Zwangsverheiratung oder auch Erfahrungen mit Krieg und/oder Flucht. Andererseits sind viele Themen aber auch ganz ähnlich, wie bei Mädchen ohne Migrationshintergrund, wie Erwachsen werden, Freundschaften oder Beziehungen", so Tanzberger. (beaha, dieStandard.at, 27.1.2009)