"Non olet" dachte sich der römische Kaiser Vespasian, als er die Latrinensteuer einführte. "Pecunia" stinkt also nicht; darüber hinaus ist es auch als Marke für Finanz- und Versicherungsberatung geeignet. Die Bezeichnung "Pecunia" ist für diese Leistungen nicht beschreibend, sondern kennzeichnungskräftig. Dies hat der Oberste Gerichtshof kürzlich in einer Entscheidung bestätigt (17 Ob 10/08g).

Fast gleichzeitig hatte sich der OGH auch mit einer zweiten lateinischen Wendung zu befassen: "Carpe diem" wurde ebenfalls als nicht beschreibendes und daher kennzeichnungskräftiges Zeichen für die Verpflegung und Beherbergung von Gästen angesehen (17 Ob 27/08g). Dem Beklagten, der das Zeichen dennoch verwendete, half es auch nicht, darauf hinzuweisen, dass "carpe diem" in der Gastronomie häufig als Werbung verwendet wird. Bemerkenswert ist, dass der OGH in dieser Entscheidung davon ausgeht, dass der Sinngehalt der Redewendung "carpe diem" den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist - also die Österreicher ihre Oden des Horaz kennen. Tu felix Austria!

Für der lateinischen Sprache entnommene Begriffe gilt der gleiche Maßstab wie für fremdsprachige Wörter allgemein. Ihr Sinngehalt ist dann für die Beurteilung maßgebend, wenn er im Inland den Verbrauchern bekannt ist. Die Bezeichnung "carpe diem" ist aber auch in ihrem Sinngehalt nicht beschreibend, sondern vermittelt ein Lebensgefühl und eine Einstellung. Fazit: Der Registrierung lateinischer Sprüche als Marken steht nichts entgegen. Vor einer Verwendung sollte geklärt werden, ob der Spruch nicht schon geschützt ist. (Clemens Grünzweig, DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2009)