Bregenz/Hamburg - Die Winterkälte trieb die Bregenzer Stadttrinker unter die Arkaden des Theaters am Kornmarkt. Mit Barockmusik wurden sie von dort vertrieben. Die "leise Beschallung" diene zur "Ausschilderung des Gebäudes als Kulturhaus", sagt Bürgermeister Markus Linhart (VP). Er habe Verständnis dafür, "dass Obdachlose unter den Menschen sein wollen". Aber nur, "wenn sie die Spielregeln einhalten". Ans Theater pissen gehe nicht.

Die Männer stehen nun beim nahen Museum. Nicht wegen der Musik, die sei ihnen "wurscht", sagt ein Steirer. Als "Sandhasen" möchten sie aber nicht gesehen werden. Alle hätten sie eine Wohnung, aber dort könne man sich nicht treffen, und die Gasthäuser seien zu teuer. Sozial Randständige aus dem bürgerlichen Blickfeld zu verdrängen, ist in Bregenz seit Jahren Strategie.

Hohe Flötentöne

In Hamburg läuft das Programm "Vivaldi gegen Junkies" bereits seit Jahren. Wer den Hauptbahnhof über den Ausgang Kirchenallee verlässt, wird mit klassischer Musik beschallt. Ob Vivaldi, Beethoven, Bach oder Chopin, die Musik läuft rund um die Uhr. Auch in 18 unterirdischen S-Bahn-Stationen wird Klassik gespielt, vornehmlich nachts. Offiziell heißt es bei der Hamburger Hochbahn, man wolle damit niemanden vertreiben, sondern nur angenehme Stimmung schaffen, wie in Kaufhäusern.

"Es hat einen anderen Hintergrund", meint hingegen Fred Heyden von der Stay-Alive-Drogenberatung: "Teilweise wird Musik mit sehr hohen Flötentönen gespielt, die geht schon Menschen auf die Nerven, die keine Drogen konsumieren." Das Konzept geht auf, der Bahnhofsvorplatz ist nicht mehr in der Hand der Drogenszene - allerdings auch, weil Hilfsprojekte jetzt an anderen Orten angesiedelt sind. Ähnliche Maßnahmen gibt es an Münchner U-Bahnstationen. Das "Geheimnis" des Vertreibungsprogramms: Wer sich nur kurz in der beschallten Zone aufhält oder durchhastet, registriert die Musik kaum. Genervt ist jedoch, wer sie dauernd hören muss und kein Klassik-Fan ist. (jub, bau/DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2009)