Eingewanderte beginnen sich zu etablieren. Sie kaufen Eigenheime, betreiben Kleingewerbe, sie machen Matura, Universitätsabschlüsse, einzelne auch Karriere. Nur: Gehört auch dazu, wer aufgestiegen ist? Der Soziologe Simon Burtscher machte die "Etablierungsprozesse Eingewanderter" zum Forschungsgegenstand und zeigt am Beispiel des Einwanderungslandes Vorarlberg im Buch "Zuwandern_aufsteigen_dazugehören" auf, dass sozialer Aufstieg nicht "automatisch Zugehörigkeit zur Mehrheitsgesellschaft bedeutet". Denn die Mehrheitsgesellschaft verteidigt ihr Machtprivileg.

Burtscher, Mitarbeiter von "okay.zusammen leben", der die Landesregierung beratenden Projektstelle für Zuwanderung und Integration in Dornbirn, ging in Interviews mit Aufsteigern deren Bildungs- und Karriereweg nach. Dabei nahm er seine Erfahrungen aus der Projektarbeit, die Dokumentation der Einzelgeschichten, als Basis für seine Analyse. Im Gegensatz zur gängigen Migrationsforschung und "ihrer starken Fokussierung auf die Zugewanderten" (Burtscher), deren Integrations- oder Assimilationsbereitschaft, wählte der junge Wissenschaftler einen prozess-soziologischen Ansatz, konstruierte ein "Etablierte-Außenseiter-Modell" nach Norbert Elias und suchte damit nach "Verflechtungen zwischen Einheimischen und Zugewanderten und den damit verknüpften Machtverhältnissen".

Die Machtverhältnisse zeigen sich besonders folgenschwer im Zugang zur Bildung. 37 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen sind nichtdeutscher Muttersprache, an Gymnasien beträgt der Anteil türkischsprachiger Kinder lediglich 2,5 Prozent, die Sprachgruppe aus Ex-Jugoslawien macht 2,2 Prozent aus. Soziologe und Diskriminierungsforscher August Gächter bei der Buchpräsentation: "Lehrtätigkeit ist hier immer noch Sortiertätigkeit." Obwohl diese Selektionsmechanismen belegt seien, reagiere das Schulsystem nicht mit Veränderung, kritisiert auch Simon Burtscher.

Über Unterscheidung in Etablierte und Außenseiter entscheide in Vorarlberg (Anteil der Zugewanderten: 13 Prozent) immer noch die "Herkunft der Familie", stellt der Soziologe fest. Das zeige sich auch noch im Leben der zweiten Generation durch Ausgrenzung, Diskriminierung, Statusunsicherheit, aber auch in Rollen- und Identitätskonflikten.

Konkretes aus dem Alltagsleben schildern die Interviews. So erzählt der im Betrieb anerkannte und respektierte Manager, dass er in Lebenssituationen, in denen sein Status unbekannt ist, nicht als Aufsteiger, sondern als "Türke" und damit "Ausländer" gesehen wird oder gar als "Sozialschmarotzer" beschimpft. Die Definition über die Herkunft stört auch eine junge Pädagogin. Sie sei halt "die türkische Lehrerin", aber "eigentlich könnte man mich beim Namen nennen." Vom Außenseiterstatus betroffen sei auch noch, wer hier geboren wurde, die lokale Kultur lebe, einheimische Freunde, Ausbildung und einen guten Job habe, beobachtet Burtscher.

Die Mehrheitsgesellschaft verstehe unter Integration immer noch "mehrheitlich" Anpassung und Eingliederung. "Was gehörig ist, bestimmt die machtstärkere Gruppe der Einheimischen." Etablierungsprozesse sind, so Burtscher, immer auch Machtverteilungsprozesse. Ob die dritte und vierte Generation in die "Wir-Gruppe" und damit ins Machtgefüge der Etablierten aufgenommen wird, lasse sich, so Simon Burtscher, noch nicht absehen.

Die Publikation ist die vierte der sozialwissenschaftlichen Reihe "Transblick", erschienen im StudienVerlag. (Jutta Berger/DER STANDARD, Printausgabe, 28.01.2009)